Ein Gott? Ein Pfuscher?

■ Camille Pissarros Druckgraphik: Einmalige Ausstellung im Kunsthallen-Kupferstichkabinett

Die Franzosen! Wie sie voneinander reden: „Ce fut un pere pour moi ... et quelquechose comme le Bon Dieu.“ So Cezanne über Camille Pissarro, den großen Impressionisten. Andere Kollegen hielten ihn eher für einen Pfuscher. Sie bezogen sich auf das ziemlich unbekannte druckgrafische Werk des Meisters (1830-1903), auf die zahlreichen und experimentellen Techniken, die Pissarro benutzte.

FreundInnen von Radierung, Lithografie und Monotypie ist in den kommenden Monaten anzuraten, das Kupferstichkabinett in der Kunsthalle aufzusuchen, wo sich im ehemaligen „Mitmachmuseum“ Seltenes sehen läßt: Erstmals zeigt die Kunsthalle die in ihrem Besitz befindlichen Drucke Pissarros, 30 an der Zahl, darunter einige, die der Fachwelt bislang völlig unbekannt waren (und doch an die 100.000 DM wert sind). Und erstmalig auf deutschem Boden gibt es überhaupt eine Pissarro-Druckgrafik- Ausstellung, die alles zeigt, was deutsche und österreichische Kupferstichkabinette vergraben haben. 105 Blätter sind zusammengekommen.

Der „Bremer Block“ entstammt dem gigantischen Erbe des Kunstsammlers und Sohns des Norddeutsche Lloyd-Gründers, H.H.Meier, der anläßlich seines Todes der Kunsthalle ca. 60.000 Blätter Druckgrafik vermachte. So verschwand auch Pissarro im Kabinett, was, wie man sehen kann, dem Erhaltungszustand der Blätter gut bekam.

Figur, Landschaft, Bildnis: Die Thematik der ausgestellten Blätter ist beschränkt. Bäuerlich- Ländliches, Straßenszenen, Badende, Märkte; Pissarro arbeitete oft direkt mit der Platte vor dem Motiv. Ungewöhnlich sind die Techniken, die bei seinen Zustands- und Probedrucken angewandt werden, z.B. die „maniere grise“: Mit Werkzeugen wie Schmirgel oder Drahtbürste wird die Platte feinst geritzt und ermöglicht damit abgestufte Grauwerte.

Die wertvollen Monotypien, von denen es maximal zwei Stück gibt, sind Ergebnisse von noch komplizierteren Mischtechniken, z.T mit Aquatinta bearbeitet. Pissarro, der eine Unzahl von Söhnen hatte, die er zeitlebens unterstützte, konnte von der Druckgrafik, die er so sehr liebte, nicht leben. Seine Galeristen wollten Gemälde, und die machten ihn auch bekannt. Die Drucke liefen hobbymäßig nebenher, es entstanden nur Kleinstauflagen, eben jene Probedrucke, die der Meister in allen Bearbeitungsstadien für wertvoll hielt.

Die wichtigsten Sammlungen von Pissarros Druckgrafik befinden sich in den USA, weil man ihn dort schon früh kaufte und insbesondere in den 30ern, der Zeit der „großen Depression“, gerade in Deutschland solche Kunst ausverkauft wurde. Gut 200 Arbeiten sind von Pissarro bekannt; gehandelt wird allenfalls mit neuen Nachdrucken. Das erklärt die hohen Schätzpreise der Einzelblätter und, warum eine Ausstellung wie diese Seltenheitswert hat. Bus

Eröffnung 27.11., 18 Uhr; bis 20 Januar; aufwendiger Katalog, zusammengestellt von der ungemein beschlagenen Kupferstichkabinett-Custodin Anne Röver. DM 32.-