Kondom-Knappheit und Gesundheitspolitik

■ Der Arzt Horst Theissen im Münchner Wahlkampf

München (taz) — Zwischen Christkindl-Markt und Weihnachtsbaum wollte er die Münchner BürgerInnen mit Verhüterlis beglücken. Der Memminger Frauenarzt Horst Theissen, zur Zeit Bundestagskandidat der Grünen, wollte am Samstag auf dem Marienplatz der bayerischen Landeshauptstadt mit „Frei-Kondomen“ WählerInnen locken. Es kam nicht dazu: die Kondome fehlten. In ganz Bayern für den Grünen Wahlkampf verschickt und verteilt, sind für München und Horst Theissen keine Gummitütchen mehr übrig geblieben. Nach dem Absatz von Kondomen zu urteilen, dürfte der Grünen- Wahlkampf in Bayern nicht schlecht gelaufen sein.

Zum Ausgleich gab's die Pressekonferenz, in der Theissen seinem Unmut über das bundesrepublikanische Gesundheitssystem Luft machte. „Morbide und dekadent“ sei unser Kassensystem. „Die Medizin wird im Moment danach ausgerichtet, wie sie der Industrie nützt und nicht den PatientInnen.“ Nach seiner Erfahrung nütze ein ruhiges Gespräch oft mehr als teure Medikamente. Weil aber ein solches Gespräch von den Krankenkassen nicht bezahlt werde, greifen die Ärzte lieber zum Rezept. „Die Gebührenordnung bestimmt die Behandlungsmethode,“ schimpft Theissen.

Mindestens zehn Millionen Mark für unnötige Operationen könnten die Kassen sparen, wenn Naturheilverfahren angewandt würden. Theissen, der auch als Homöopath ausgebildet ist, hält vor allem Magen- und Darmoperationen für vermeidbar. Seine Devise: Die Ärzte müssen ihr Therapiemonopol aufgeben und künftig mit Psychologen, Krankenschwestern, Hebammen und Heilpraktikern zusammenarbeiten.

Entschieden setzt der Memminger Gynäkologe sich für ein Selbstbestimmungsrecht der Frau ein: „Wenn eine Frau die Entscheidung für ein Kind allein treffen kann, sollte sie auch eine Entscheidung gegen ein Kind treffen dürfen.“ Bisher entscheiden Ärzte über Frauen „nach Feudalherrenart“, das müsse sich ändern. Karin Mayer