Eiskalt ausgeglitscht

■ Holiday on Ice mit leichten Blessuren entkommen / Von Mensch und Esel

“Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis“ sagt der Volksmund. Ted Shuffle, allgewaltiger Regisseur von „Holiday on Ice“, ist bestimmt kein Esel, sondern ein cleverer Geschäftsmann. Der Esel ist mehr das Publikum, das für 24 bis 40 Mark vor dem Eis sitzt und zweieinhalb Stunden frosted dreams über sich ergehen läßt.

Was Shuffle und seine Crew Leonard Bernsteins „Westside- story“ angetan haben, grenzt schon an Verbrechen. Auch andere unschuldige Song-Schreiber wurden gnadenlos für die klingende Kostümshow auf Kufen verwurstet.

Das Ende der politischen Eiszeit hat der Holiday-Eiskonditor durch extreme Reduktion auf Klischees so gekonnt internationalisiert, daß vom Ural bis an den Amazonas jeder mitkonsumieren kann.

Sowjetunion gleich Balalaika, Matruschka (diese bunten Holzpuppen, aus der immer noch eine und noch eine kommt), Doktor Schiwago und eine Prise Schwanensee.

USA gleich Banjos, Cowboys, New York, Chorus Line.

Die kommende Weltmacht Deutschland ist durch den, wirklich brilliant schlittschuhlaufenden Norbert Schramm als angetrunkener Seppelhosenträger vertreten. So sieht uns die Welt!

Meine Kinder fanden die eislaufenden Teddys süß und freuten sich über das explodierende Klavier der ansonsten sehr langweiligen Musikclowns. Auf alle Fälle aber waren sie von der Show so animiert, daß wir am nächsten Tag gleich selbst aufs Eis mußten. In Ermangelung eines echten Winters auf das Kunsteis der Eislaufhalle.

Rappelvoll war es dort. Lauter kleine Norbert Schramms und Katharina Witts versuchten, das stupide Im-Kreis-Fahren mit rasanten Slaloms und angedeuteten Pirouetten zu durchbrechen. Mit Tüllschleifchen und Röckchen trauten sich aber nur einige kleine Mädchen aufs Eis. Die Kids trugen sich betont salopp, mit modisch-grauen Pullovern und mehrfach um den Hals gewickelten Schals.

Meine Eiskunstlaufversuche scheiterten leider kläglich. Ein perfider Sturz war das vorläufige Ende aller Eisprinzessinnenträume, die sich aus der Frühpubertät in mein Erwachsenenhirn hinübergerettet haben.

Während ich mich, erst noch zaghaft, dann immer wagemutiger, ins Eiskarussell eingereiht hatte, war ich irgendwie ins Träumen geraten. Nein, nicht von Norbert Schramm, auch nicht von Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler. Visionen von überschwemmten Wiesen mit endlosen Schlittschuhpisten unter dünner Schneedecke, von den kribbeligen Wonnen schneidender Kälte, die am warmen Ofen bei einem Becher Kakao langsam aus den Gliedern taut, zogen an meinem inneren Auge vorbei. Krach — aus der Traum! Schmerzende Glieder, und was noch schlimmer zählt, die unbarmherzig spöttischen Blicke der Kids.

Jetzt habe ich erst einmal die Nase voll, vom schnöden Schlittschuhlaufen im Kreis, ganz zu schweigen von „Holiday on Ice“. asp