Verdammt reich, ohne es zu merken

■ Stadt hat 240 Millionen Mark zu wenig Lohn gezahlt — und keiner hat's gewußt

Was jede Bremer Bürgerin schon immer wünschte, aber nie zu hoffen wagte, ist dennoch wahr: Die Stadt ist reich. 240 Millionen hat sie seit 1974 zusammengerafft. Für den Anfang nicht schlecht. Immerhin würde es reichen, um den Bremer Kulturetat drei Jahre lang glatt zu verdoppeln oder um gleich drei neue Wasser-Kraftwerke in die Weser zu setzen. Kein schlechtes Sümmchen also, bloß keiner hat gemerkt, daß Bremen es einstrich.

Wie die Stadt zu ihrem unbemerkten Reichtum kam? Ganz einfach — sie zog Nutzen aus der Unwissenheit, zum Beispiel der „Dienstkleidungsträger“. Das sind die geheimnisvollen Damen und Herren im weißen Kittel, die tagaus tagein auf den sterilen Krankenhauskorridoren unterwegs sind und geflissentlich ihren Dienst verrichten.

Die „Dienstkleidungsträger“ also hat man betrogen um das, was ihnen von Rechts wegen zusteht — die Entlohnung der Umziehzeiten. Aber es kommt noch schlimmer.

Die Betrogenen waren ahnungslos. Im Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) steht es zwar schwarz auf weiß: „Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle.“ Doch wer hatte das schon gelesen. Und selbst wenn: Wer hätte geahnt, was das bedeutet. Hätten wir selbst es besser gewußt? Auch die Zusatzklausel, die seit 1974 Genaueres für den Krankenhausbereich regelt, kannte kaum eine. Danach ist Umziehzeit gleich Arbeitszeit und muß bezahlt werden.

So froh die Kunde, hatte sie dennoch niemand verstanden, es sei denn die schlauen Stadtherren. Die erkannten sogleich ihren Vorteil, schafften geschwind das Schäfchen ins trockene. Wo sie's versteckten, wofür sie's ausgaben, wer kann das heute ergründen.

Keiner will's gewesen sein, niemand will's getan haben. Im Senat weiß man nur: „Herbert Brückner (Gesundheitssenator a.D.) hat es sich nicht in die Tasche gesteckt.“ Aber kann man dieser Auskunft der Gesundheitssenatorin wirklich trauen? Auch die Krankenkassen weisen jede Verantwortung weit von sich („Wir haben nichts“) und warten auf künftige Rechtssprechung.

Doch „wer auf das Recht vertraut, ist dran“, weiß Wolf-Dieter Rudolph von der ÖTV. Also brachen die braven KollegInnen auf, den Schatz zu heben. Sie reichten Klagen ein beim hohen Gericht und verteilten Papier mit Protesten. Der Lohn: Ihr wackeres Tun und Begehren wird „grundsätzlich anerkannt“. Doch nur für die Zukunft und nahe Vergangenheit. Der Rest der Schätze bleibt weiterhin verborgen.

Was alles hätte die Stadt mit den Milliönchen anfangen können — hätte sie nur bei Zeiten davon gewußt. bz