UNTERM STRICH

Der „Säurefraß“ in Millionen von Büchern kann jetzt gestoppt werden. Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber nahm am Freitag in Frankfurt eine vom Battelle Institut entwickelte Pilotanlage in Betrieb, in der alte Bücher chemisch gereinigt und damit vor dem Verfall gerettet werden. Die Deutsche Bibliothek hatte das vom Ministerium mit 1,6 Millionen Mark finanzierte Projekt in Auftrag gegeben. Fast neunzig Prozent der etwa zweihundert Millionen Bände in öffentlichen Bibliotheken der Bundesrepublik seien vom Säurefraß bedroht, so der Leiter der Deutschen Bibliothek, Klaus-Dieter Lehmann. Jedes dritte Buch zeige bereits Schäden. Die Bände zerfallen buchstäblich in den Regalen, ohne daß bisher schnelle, sichere und umweltfreundliche Reinigungsverfahren zur Verfügung standen. Die Mikroverfilmung hat sich mit Kosten von 150 Mark pro Buch als zu teuer erwiesen. Ursache für das „Büchersterben“ sind säurebildende Inhaltsstoffe, die in den vergangenen 140 Jahren bei der Papierherstellung verwendet wurden. Das Ausmaß der Zerstörung ist nach den Worten von Lehmann inzwischen so groß, daß weltweite Zusammenarbeit unerläßlich ist. Bei dem von Battelle entwickelten Prozeß werden die Bücher in einer waschmaschinenartigen Trommel mit Chemikalien behandelt und anschließend mit einer Mikrowellenheizung getrocknet; pro Buch kostet das Verfahren rund fünfzehn Mark. Die Pilotanlage kann 300.000 Bände im Jahr reinigen. Lehmann kündigte an, daß Leipzig als deutsches Zentrum für den Bestandsschutz mit handwerklicher Restaurierung, Massenentsäuerung und dem Einsatz moderner Speichermedien ausgebaut werden solle.

Das Palais Unter den Linden in Berlin ist wieder ein Ort der Kunst. Am Donnerstag wurde im ehemaligen Kronprinzenpalais eine Ausstellung zeitgenössischer polnischer Malerei eröffnet. Die nach ihrer Präsentation in Mainz und Stuttgart bis zum 14. Dezember in Berlin gezeigte Schau umfaßt Arbeiten von acht Künstlern der jüngeren Generation. Wie Regisseur Andrzej Wajda in seinen einleitenden Worten sagte, hätten weder Realismus noch Marxismus hinter die Geheimnisse des Lebens kommen können. Er sei stolz, „im freien Berlin eine Ausstellung der freien polnischen Kunst“ eröffnen zu können. Berlins Exkultursenator Volker Hassemer (CDU) mahnte, stärker als bisher die Begegnung mit den ehemals abgeschirmten Nachbarn zu suchen. Die Ausstellung „Polen Zeit Kunst“ wird anschließend in Warschau gezeigt.

Stephan Krawczyk ist mit einem Konzert in Leipzig am vergangenen Freitag sozusagen zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt. Der Sänger hatte bis zu seiner Ausweisung durch das SED-Regime vor zwei Jahren die Mißstände in der Ex-DDR erbittert kritisiert. Der Liedermacher hatte sein drittes Programm dem vom „Titanic“-Schicksal inspirierten Motto „Fortbewegung+Luxus= Untergang“ gewidmet. Allerdings habe er im Vergleich zu früher teilweise an Bissigkeit verloren, schreibt 'dpa‘: „Seine satirischen, manchmal mit Bitternis gemischten eigenen Lieder konnten auch nicht über eine gewisse Entfremdung des jetzigen Westberliners zu den Leipzigern hinwegtäuschen.“

Wenn die geplante Streichung der Zonenrandförderung realisiert wird, sind zahlreiche Kultureinrichtungen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Bayern in ihrer Existenz bedroht. Allein die niedersächsischen Städte und Gemeinden an der ehemaligen innerdeutschen Grenze erhalten aus der Zonenrandförderung 1990 rund 33 Millionen Mark für kulturelle Zwecke. Bund und Land zahlen hiervon je die Hälfte. Sollte der Bund seine Förderung streichen, würden in Niedersachsen 16,5 Millionen Mark wegfallen. Sie sind dort in den Etats jedoch fest eingeplant: Die Theater in Göttingen, Hildesheim und Lüneburg erhalten über zehn Millionen Mark. Das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum über 200.000 Mark, das neue Bergbaumuseum Rammelsberg in Goslar 700.000 Mark Förderung. Insgesamt sind für Museen 2,1 Millionen Mark vorgesehen. Auch viele Musik-Aktivitäten wie das Göttinger Symphonie-Orchester (1,4 Millionen Mark), das dortige Händel-Fest (200.000 Mark) und andere Festivals sind ohne Förderung gefährdet.