Uruk und das Überleben der Menschheit

■ Am Golf geht es nicht um einen lokalen Konflikt, sondern um die Gattungsfrage GASTKOMMENTAR

Die Ausgrabungen von Uruk, der alten Sumererstadt, die vermutlich dem Irak seinen Namen gegeben hat, haben das erste Frauenantlitz der Menschheitsgeschichte zutage gebracht: Das schöne Gesicht von Warka, zu bewundern im Museum von Bagdad. Heute wird zwischen den Flüssen Iraks und der Küste des arabischen und persischen Golfs über das Überleben der Menschheit entschieden. Denn dem menschlichen Leben auf dem Planeten Erde bleibt noch etwa eine Frist von hundert Jahren, um sich erdferne Energien nutzbar zu machen und so die nichterneuerbaren Energien Öl und Kohle zu ersetzen. Georges Bataille hat auf den gigantischen Überfluß im Kosmos hingewiesen, der unseren Mangel umgibt. So gesehen sind die Technologien der UdSSR und der USA komplementär und nicht antagonistisch: Ständige Weltraumstationen und Raumgleiter sind die zukünftigen Voraussetzungen der Energiegewinnung.

Die sich über acht Jahre, bis 1988 hinziehenden Bombardierungen der Ölfelder im Iran und Irak haben bereits dazu geführt, daß sich diese zu kurze Frist weiter verkürzt hat. Es ist an der Zeit, sich an eine einfache Wahrheit zu erinnern: Die Energieressourcen sind nicht Eigentum von Firmen oder Nationen, die ihre Ausbeutung betreiben. Rechtlich und faktisch gehören sie der ganzen menschlichen Gattung, und ihr vorzeitiges Verschwinden hätte als schwerwiegendste Konsequenz nicht eine simple Wohlstandseinbuße dieser oder jener Nation oder Firma zur Folge — sondern die Gefährdung der menschlichen Gattung in ihrem Überleben.

So kann eine Lösung für die Golfkrise nur darin bestehen, daß die Anliegerstaaten und ihre Nachbarn — ohne Ausnahme — sich zu einer ökonomischen Allianz zusammenfinden, nach dem Beispiel der Europäischen Gemeinschaft. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen, und unter Beteiligung aller abrahamischen Religionen. Das Überleben von Uruk ist verbunden mit dem Überleben der Söhne von Ur, der Stadt Abrahams/Ibrahims. Und aller anderen. Nach dem KSZE-Treffen von Paris muß uns das Frauenantlitz von Uruk an das erinnern, um das es geht: das planetare Überleben. Jean-Pierre Faye

Der Autor ist Sprachphilosoph und Leiter der „Université Européenne de la Recherche“ in Paris. Übersetzung: smo