Bürgerforum bleibt vorn

CSFR: Kommunisten erzielen bei den Kommunalwahlen Stimmengewinne  ■ Aus Prag Sabine Herre

„Wir sind unangenehm überrascht.“ Mit diesen Worten kommentierte M.Zantoviský, der Sprecher des Präsidenten Vaclav Havel, das Abschneiden der Kommunistischen Partei bei den tschechoslowakischen Kommunalwahlen. Entgegen allen Prognosen, die der KP einen Verlust von 7 Prozent vorausgesagt hatten, konnten die Kommunisten in Böhmen und Mähren sich gegenüber den Parlamentswahlen im Juni dieses Jahres von 13,3 Prozent auf 17,4 Prozent verbessern. In der Slowakei, wo die Bürgermeister im Unterschied zur tschechischen Republik direkt gewählt wurden, werden die Kommunisten 660 oder 23,2 Prozent aller Bürgermeister stellen. Erste Reaktionen am Wahlabend sahen die weitverbreitete Enttäuschung über die bisherigen politischen und ökonomischen Reformen als Ursache. Der Vorsitzende der KP der Slowakei, Petr Weiss, hob dagegen den starken Persönlichkeitsaspekt der Wahl hervor. Zudem habe sich nun gezeigt, daß die Kommunisten einen festen Platz im politischen Spektrum der CSFR erobert hätten.

Eindeutiger Gewinner der Kommunalwahlen ist erneut das Bürgerforum. Obwohl über 10 Prozent der Stimmen an unabhängige Kandidaten, die insgesamt 10,5 Prozent erreichten, abgegeben werden mußten, bleibt es mit 35,5 Prozent die führende politische Kraft des Landes. Die stärkste Position hat das Bürgerforum in Prag mit 55 Prozent Stimmenanteil, am schwächsten (20 Prozent) ist es in Mähren und Schlesien, wo die nationalistische „Bewegung für eine selbstverwaltete Demokratie“ 12 Prozent der Stimmen gewinnen konnte. Auf Kosten der „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ (VPN), der Schwesterorganisation des Bürgerforums, siegte die Christdemokratische Bewegung in der Slowakei. Mit 27,4 Prozent und einem Gewinn von 8 Prozent könnte die stark national orientierte Partei die VPN (20,4 Prozent) nun als politische Führungskraft des Landes ablösen. Eine Niederlage erlitt dagegen die Partei der slowakischen Separatisten SNS, sie erreichte diesmal nur kümmerliche 1,5 Prozent. Nicht nur in den Wahlergebnissen, sondern auch bei der Wahlbeteiligung zeigten die beiden Landesteile überraschende Unterschiede. In der tschechischen Republik lag die Wahlbeteiligung bei 75, in der Slowakei nur bei 64 Prozent. Am höchsten war sie in Dörfern und kleinen Städten, wo oft 100 Prozent erreicht wurden, am niedrigsten in Großstädten. Verschoben werden mußten die Kommunalwahlen in 34 Gemeinden. Doch nicht nur dort hatte es Schwierigkeiten mit der Aufstellung der Kandidatenlisten gegeben. Auch in zahlreichen anderen Orten hatten die Bewohner keine Wahl: Die Zahl der Bewerber entsprach der Zahl der zu vergebenden Mandate.