Grüner Streit um Einwanderungsgesetz

Auf einer Expertenanhörung in Bonn wurden völlig gegensätzliche grüne Positionen deutlich/ Was die einen als pragmatische Politik befürworten, wird von anderen als Diskriminierung zurückgewiesen  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Sollen die Grünen für eine Einwanderungspolitik streiten, die unter anderem festlegt, wieviele Menschen aus welchen Ländern jährlich hier einwandern dürfen? Darüber diskutierten gestern in Bonn einen ganzen Tag lang von der grünen Bundestagsfraktion geladene Sachverständige. „Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz?“ — acht von elf ExpertInnen bejahten die Frage, die auch Motto der Anhörung war.

„Wir müssen die Zuwanderung im Interesse der Einwandernden und Eingewanderten durschaubar machen und gestalten.“ Vor allem damit argumentierte Erika Trenz, Grüne Bundestagsabgeordnete, die die Anhörung mit organisiert hatte, für ein Einwanderungsgesetz. „Pragmatisch“, so bezeichnete auch Rosi Wolf-Almanasreh vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt diesen Standpunkt. Sie findet ebenso, daß man als „Kompromiß“ fordern sollte, für hierher kommende Menschen Quoten festzulegen — freilich nur, wenn auch bestimmte andere Bedingungen erfüllt sind: So dürften die Kontingente nur für EinwanderInnen und nicht für Asylsuchende oder Verfolgte gelten. Gleichzeitig müßte das völkisch angelegte deutsche Staatsangehörigkeitengesetz geändert werden, erklärte sie. Schließlich sei parallel ein Antidiskriminierungsgesetz vonnöten. Auch Klaus Geiger, Migrationssoziologie an der Universität in Kassel, unterstützte jene grünen Parteimitglieder, die seit einiger Zeit in ihrer Partei heftig für ein Einwanderungsgesetz streiten. „Wir haben keine Alternative“, sagte er und begründete dies vor allem so: In einer öffentlichen Diskussion um ein solches Gesetz könnte man dem gängigen Bild von der Flut „das Asylrecht mißbrauchender Asylbewerber“ etwas entgegensetzen. Überdies dürften es die Grünen nicht anderen Politikern überlassen, ein Einwanderungskonzept zu gestalten, das dann wesentlich restriktiver wäre.

Rupert von Plottnitz, hessischer Abgeordneter der Grünen, sieht in einem Einwanderungsgsetz samt Quoten eine Rettung für das Asylrecht. Überdies, meinte von Plottnitz, würde es die Bundesrepublik „mit ihrem Dasein als Einwanderungsland aussöhnen“. „Sozialgesetz“ nennt er zwar ein solches Konzept, doch im anstehenden parteipolitischen Streit bezeichnet er auch solche als „Bündnispartner“, die ein Einwanderungskonzept als Arbeitskräftebeschaffungsgesetz wollen: die Arbeitgeber.

Jose del Poso, von der Frankfurter Initiative SOS-Rassismus, will zwar ein Einwanderungsgesetz. „Diskriminierend“ findet er es allerdings, die EinwanderInnen nach ihrer Nationalität zu quotieren.

Ob an die Nationalität oder an andere Kriterien gekoppelt — gegen jede Art von Quoten wandten sich strikt drei der Sachverständigen. „Ich traue einem Kontingente festlegenden deutschen Staat eine verantwortungsvolle Einwanderungspolitik nicht zu“, sagte Franz Scheurer, Mitglied der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft ImmigrantInnen und Flüchtlinge. Heftig kritisierte er, daß die ein Einwanderungsgesetz fordernden Grünen „sich in den Mainstream hineinbegeben“, statt die Forderung nach „offenen Grenzen“ „mit konkreten Vorschlägen auszufüllen“. Götz Schwarzrock, ehemals in der Berliner Alternativen Liste, vermißte an dem Konzept Einwanderungsgesetz vor allem: Es umgehe das globale Problem einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung. Überdies zwinge es uns, zwischen fliehenden und einwandernden Menschen zu unterscheiden. Schließlich beinhalte es noch „die falsche Hoffnung“, wonach das „Bekenntnis zu einer Belastbarkeitsgrenze der Bundesrepublik“ die Fremdenfeindlichkeit abbaue.