Hohe Mieten — wenig Wohngeld

■ Bonner SPD kritisiert Wohnungspolitik der Bundesregierung/ SPD-Vize Thierse: Fünf Prozent Mieterhöhung pro Jahr in der Ex-DDR ist angemessen/ Bundesbauministerium: Absoluter Blödsinn

Berlin (taz) — Verdrei- bis vervierfachen werden sich die Mieten in den fünf neuen Ländern. Dies befürchtet die Bonner SPD, nach dem, was man von Bonner Beamten höre. Die Bonner Regierung würde „keine Klarheit über die künftigen Mieten der neuen Länder“, geben, sagte der baupolitische Sprecher der Bundes- SPD, Franz Müntefering. Zwar wisse jeder, daß die Mieten in Zukunft nicht eingefroren bleiben können. Jedoch müßten sich die Mieten „sozial verträglich“ und in Abhängigkeit zu den Einkommen entwickeln. Müntefering wollte sich nicht festlegen lassen, welche Mieterhöhung die SPD für angemessen halte. Langfristig müßten jedoch auch die neuen Bundesbürger im Schnitt 20 Prozent ihres Einkommens für die Mieten auf den Tisch legen. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende, der Ostberliner Wolfgang Thierse, sprach hingegen von einer möglichen Mieterhöhung im Altbau von 5 Prozent im Jahr.

Im Bauministerium hieß es dazu auf Anfrage, die Mieterhöhung werde sich in Abhängigkeit von den Einkommen entwickeln. Konkrete Zahlen könne man frühestens im Februar nennen, schließlich müßte dazu der Bundesrat zustimmen. 5 Prozent im Jahr seien jedoch „absoluter Blödsinn“ und „total albern“. „Das ist realistisch, wenn die Mieten bereits Westniveau erreicht haben, aber nicht jetzt“, sagte Ministerialdirektor Eekhoff aus dem Bundesbauministerium, und: „Wir kriegen ständig Briefe von empörten Vermietern, die für eine Handwerkerstunde mehr zahlen müssen, als sie im Monat an Miete einnehmen.“ Ab Januar werde man privaten Eigentümern ihre Instandhaltungsdefizite aus der Staatskasse ersetzen. Zunächst würden die Betriebskosten erhöht. Eine Wohngeldnovelle für die neuen Länder ist bereits fertig, sie wird am 15. Dezember im Bundestag abgestimmt. Für das Wohngeld in der Ex-DDR ist im Haushalt 1991 ein Betrag von 172 Millionen vorgesehen. In den alten Bundesländern werden dafür jährlich 5 Milliarden ausgegeben. Die Wohngeldregelung ist im wesentlichen die gleiche wie in den alten Ländern. Das gilt für die Obergrenze, bis zu der Wohngeld ausgezahlt wird, die zum Beispiel für eine dreiköpfige Familie bei 340 Mark im Monat liegt, egal, wie hoch die Miete oder das Familieneinkommen ist. Auch die Mindestmiete, ab der man Wohngeld bekommt, ist die gleiche wie im Westen. So bekommt die gleiche dreiköpfige Familie mit etwa tausend Mark Einkommen erst ab einer Miete von 140 Mark überhaupt Wohngeld, in diesem Fall wären das 21 Mark. Heizungs- und Stromkosten sind im Wohngeld nicht berücksichtigt. Müntefering kritisierte weiter die Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung. „Hunderttausende in den neuen Bundesländern suchen eine Wohnung, der Bestand verfällt und die Arbeit liegt auf der Straße. Aber die Bautätigkeit kommt nicht in Gang“, sagte er. In den neuen Bundesländern fehlten 800.000 Wohnungen, in den alten Ländern 1,5 Millionen Wohnungen, jedoch sei die Bautätigkeit um ein Drittel geringer als vor einem Jahr. Es gebe keine entschlossene Anschubfinanzierung des Wohnungsbaus. Dazu seien jährlich in ganz Deutschland 5 Milliarden notwendig, jetzt gebe es nur 2 Milliarden im Jahr. Die SPD forderte weiter die Verlängerung der besonderen Mieterschutzrechte in der ehemaligen DDR, das betrifft vor allem den Ausschluß der Eigenbedarfskündigung. Außerdem müsse es steuerliche Vergünstigungen für den Wohnungsneubau und für den Kauf von Wohnungseigentum geben. Die ehemals volkseigenen Wohnungen müßten zu Sozialwohnungen werden und im Besitz der Städte bleiben. Wenn sie verkauft werden, dann nur an die Mieter. Die Modernisierung von Altbauten wird künftig mit 11 Prozent auf die Jahresmiete umgelegt, das würde die Mieten verzehnfachen. Ein weiteres Problem seien die Anträge auf Rückübertragung von Grundstücken an ehemalige Eigentümer. „Praktisch für ganz Ost-Berlin“ lägen Anträge auf Rückenteignung vor, erklärte Thierse, insgesamt 200.000 Stück. Solange nicht geklärt ist, wer Eigentümer sei, könne nicht investiert und nicht modernisiert werden. Eva Schweitzer