Ein Mann für 29 Stelltafeln

■ Auch das ist Wahlkampf: monatelang 29 Stelltafeln gegen Vandalen verteidigen

Karl Locke, Behördenmitarbeiter aus Findorff, hat ein Ehrenamt, das ihm zu frischer Luft verhilft: Er ist Wahlkampfleiter der SPD in deren Ortsverein Weidedamm. Karl Lockes Hauptaufgabe: 29 Stellschilder zu pflegen. Das hält auf Trab. Fast jeden Tag ist Locke mit dem Kleister unterwegs. Sein großes Problem: „Der Vandalismus. Das ist fürchterlich in diesem Jahr.“ Nur eine vergleichende Erkenntnis tröstet da: „Das betrifft alle Parteien, nicht nur die SPD.“

Karl Locke: „Mitte September fing das an mit Lafontaine. Wir hatten 29 Stellschilder draußen. Davon sind inzwischen vier abgehängt. Ich weiß gar nicht, wozu man die gebrauchen kann.“ Und den Plakaten auf seinen restlichen 25 Stellschildern stößt immer wieder das gleiche zu: Oskar Lafontaine werden ein oder zwei Augen ausgestochen, die Nase oder das gesamte Antlitz zerfetzt. „Das macht einen schlechten Eindruck“, sagt Karl Locke, „wenn der Oskar Lafontaine oder der Hans Koschnick in Fetzen runter hängt.“ Hat er Ehrgeiz? „Ja natürlich. Denn der Zustand der Plakate läßt schon auf die Motivation der Wahlkämpfer schließen.“

Die Zerstörungswut, die sich an seinen Stellwänden austobt, hat noch weitere Folgen: „Die Materiallage ist angespannt. „Ich habe nur noch sechs Plakate zu Hause. Das Bremer Parteibüro mußte schon 1.500 Oskar-Lafontaine-Plakate in Bonn nachbestellen.“

Der ganze Ärger mit dem „Vandalismus“ hat im Ortsverein Weidedamm schon zur Frage geführt, „ob wir bei der Bürgerschaftswahl im nächsten Jahr die Plakate nicht weiter reduzieren und unsere Schilder nur noch an ganz wenigen markanten Punkten aufstellen.“ Locke: „Durch die Plakataufstellung wird der Wahlkampf ja nur geringfügig beeinflußt. Das tendiert gegen Null. Das ist ja nur, damit man präsent ist.“

Gibt es neben dem „Stellschilder-Pflegen“ weitere Aufgaben eines ehrenamtlichen Wahlkampfleiters? Oh ja. Da wäre erstens die Aufgabe, die Stellplätze für die Stellschilder auszugucken und darauf zu achten, daß der Verkehr nicht behindert und keine Bäume beschädigt werden. Zweitens muß „Schnickschnack“ für den samstäglichen Info-Tisch bestellt werden: Lutscher, Fähnchen, Kugelschreiber. Drittens muß jeden Samstag der Info- Tisch aufgebaut auf dem Findorff-Markt stehen. Und viertens steht am 30. November die Rosenaktion ins Haus. 20 GenossInnen müssen motiviert werden, zur Feierabendzeit insgesamt 2.000 Rosen und ein Kandidatenfaltblatt an Haustüren zu verteilen.

Karl Locke: „Hundert Rosen. Die kann einer nach meiner Erfahrung in zwei Stunden verteilen.“ Die Krönung aller wahlkämpferischen Anstrengung bietet der Wahlabend. Dazu Karl Locke: „Am 2. Dezember ist man natürlich froh, wenn ein ordentliches Wahlergebnis dabei rauskommt. Und man ist stolz, daß man dazu beigetragen hat.

Und dann werden wir die Stellschilder am 3. und spätestens am 4. Dezember wieder einsammeln.“ Barbara Debus