Mit Jeremias gegen den Krieg am Golf

■ Nachdenkliche Veranstaltung im Bremer Frauen Club / „Frauen, verbraucht weniger Öl!“

Zum „gemeinsamen Frieden- Wünschen“ waren Bremer Frauen am Sonntag abend in den „Bremer Frauen Club“ geladen. Sollte dort anläßlich des drohenden Golfkriegs das Friedfertig- Urweibliche in esoterischen Riten beschworen werden? Aber wie sollte das „Wünschen“ einhergehen mit dem, was die Ankündigung gleichzeitig an Nüchtern-Politischem verhieß: „Informationen über die Situation am Golf“? Über siebzig Frauen folgten der ungewöhnlichen Einladung. Und der Abend hielt, was er versprach: Es durfte angedacht und quergedacht werden.

Zwei Musiktherapeutinnen und eine Schauspielerin stimmten ein mit Händelscher Flötensonate und einem Antikriegs-Gedicht von Matthias Claudius. Dann referierte Barbara Schwarz (Angestelltenkammer Bremen) die Hintergründe des Golfkonflikts: Die bedeutenden Erdölreserven in Kuwait und im Irak, das permanente Aufrüsten des Irak durch westliche Staaten, der ungleich verteilte Reichtum in den arabischen Staaten, das feudalistisch- parlamentarische Regierungssystem Kuwaits, der Totalitarismus des Saddam Hussein, der ungelöste Palästinakonflikt, die Kurdenfrage... Ihr Tenor: „Die Konflikte sind nur durch die Menschen in der Region zu lösen, nicht durch Krieg.“

Es folgte ein Vortrag von Sibylle Tönnies (Hochschule Bremen), ein Vortrag, der ganz bewußt einen Gegensatz bildete zu den vorangegangenen Polit-Informationen. Sibylle Tönnies sprach über die Zeit, als „Irak“ noch „Babylonien“ war, als nicht „Saddam Hussein“ herrschte, sondern „Nebukadnezar“, der Mann, auf den sich Saddam Hussein gerne beruft. Sie erzählte von Jeremias, dem Propheten, der das Volk Israel vergeblich vor dem Krieg mit Nebukadnezar gewarnt hatte. Jeremias hatte sein Volk aufgerufen, anstatt nach außen gegen Nebukadnezar aufzurüsten, sich nach innen zu erneuern. Aber der arrogante Waffengang gegen Nebukadnezar fand statt — mit verheerenden Folgen für das Volk Israel: Der für unzerstörbar gehaltene Tempel wurde geschleift, ein Viertel der Bevölkerung kam in babylonische Gefangenschaft. Sibylle Tönnies: „Fruchtbare Drohungen hat Jeremias seinem Volk entgegengeschleudert, und ebenso furchtbar sind die Visionen, die vor uns stehen, wenn wir uns auf einen Kampf mit der Dritten Welt um unsere Vorrechte einlassen.“ Tönnies wandte sich mit Jeremias gegen die „militärische Option“: „Tragen wir lieber geduldig unser Joch, das darin besteht, daß wir auf die Güter dieser Erde nur den unserem Anteil an der Weltbevölkerung entsprechenden Anspruch haben.“

Doch was kann frau tun, wenn sie weder die Partei der USA noch des totalitären Irak ergreifen will? Sibylle Tönnies: „Die Partei, die man einnehmen kann, ist die des Lebens. Ich fühle mich auf der Seite der Säuglinge Bagdads.“ Im Publikum wuchs der Wunsch, Anti-Kriegs-Aktionen zu beratschlagen. Erster Vorschlag: die Soldaten-Männer zum Desertieren aufrufen und verstecken, anstatt ihnen beim In-den- Krieg-Ziehen nachzuweinen. Zweiter Vorschlag: eine „Frauen-Demonstration“ in Bremen organisieren. Eine tatkräftige Zuhörerin protestierte. Ihr war der Vorschlag „Frauen-Friedens- Demonstration“ zu traditionell, verlief zu sehr in eingefahrenen Protest-Bahnen. Sie fragte: „Wie wär's, wenn wir Frauen vier Wochen lang kein Auto fahren? Energie sparen und kein Benzin verbrauchen?“ Nach einigem Überlegen entschloß sie sich, persönlicher, radikaler zu werden: „Ich verspreche hiermit, ab heute acht Tage lang kein Auto mehr zu fahren.“ Ob andere Frauen es ihr nachtun werden, ob die Veranstaltung je eine Fortsetzung haben wird, ob das Wegdrängen der Kriegsgefahr Bestand hat, war am Ende des Abends offen. Die Veranstalterinnen, engagierte Frauen, die sich einmalig zusammengeschlossen hatten, betonten, sie hätten einen Anfang setzen wollen. „Alles weitere liegt bei Euch.“ B.D.