Ohne Druck von oben bewegt sich nichts

■ Besetzer sollen mit Einzelmietverträgen abgespeist werden, obwohl eine Option auf Pachtverträge möglich ist

Berlin. Das größte Problem bei den Vertragsverhandlungen sind die ungeklärten Eigentumsverhältnisse: Die Wohnungsbaugesellschaften wollen mit den Besetzern allenfalls Einzelmietverträge abgeschließen. Langfristige Pachtverträge werden mit dem Hinweis auf die Rückerstattungsansprüche enteigneter Hauseigentümer verweigert.

Grundlage für die Abwicklung der Rückerstattunganträge ist das Gesetz im Einigungsvertrag zur Regelung offener Vermögensfragen. Die Häuser und Grundstücke, die sämtlich von der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) verwaltet wurden, sind in zwei Kategorien zu unterteilen: Häuser, die noch Privateigentum waren und nur unter Treuhandverwaltung der KWV standen, sind von den Wohnungsbaugesellschaften einfach zurückzugeben, wenn es die Eigentümer fordern. Für besetzte Häuser bedeutet dies nach Meinung von Juristen, daß die Wohnungsbaugesellschaften keinen Räumungsantrag stellen oder langfristige Verträge abschließen dürfen, ohne vorher Nachforschungen über mögliche Rückerstattungsanträge anzustellen.

Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um die sogenannten volkseigenen Häuser, die der KWV in Rechtsträgerschaft übertragen wurden. Nachdem die Kommunalen Wohnungsverwaltungen am 1. Juli in GmbHs umgewandelt und sämtliche alten Vermögenswerte in die neuen Wohnungsbaugesellschaften überführt wurden, nimmt die Treuhandanstalt die Eigentümerrechte wahr — solange bis geprüft worden ist, ob ein früherer Eigentümer berechtigterweise einen Anspruch auf Rückerstattung gestellt hat. Die Wohnungsbaugesellschaften verwalten die Häuser nur, was auch das Recht zum Abschluß von Mietverträgen beinhaltet. Langfristige Pacht- oder Nutzungsverträge dürfen bei den Häusern, die von einer Rückübertragung betroffen sein könnten, nach dem Einigungsvertrag bis auf weiteres nicht abgeschlossen werden, um etwaige Eigentümer nicht um ihre Verfügungsrechte zu bringen. Das Stellen von Straf- oder Räumungsanträgen ist nach Auffassung von Juristen bis zur Klärung der Eigentumsverhältnisse unzulässig. Der persönliche Referent von Bausenator Nagel, Fuderholz, bestreitet dies allerdings.

Wie lange dieser Zustand andauern wird, ist unklar: In der Magistratsverwaltung für Finanzen sind 200.000 Anträge auf Vermögensrückerstattung eingegangen, mit der Auswertung kann allerdings erst begonnen werden, wenn dafür eine neue Behörde geschaffen worden ist. Wieviele Anträge sich auf besetzte Häuser beziehen, ist nicht feststellbar. In Hinblick darauf, daß es sich bei den 200.000 Anträgen um Rückerstattung von Vermögen jeglicher Art handelt, wie Kunstwerke, Unternehmen und Häuser, gibt es für das eine oder andere besetzte Haus zumindest eine kleine Chance, nicht von einem Rückerstattungsantrag betroffen zu sein. Außerdem besteht die Möglichkeit, daß der Antragsteller sein Eigentum letzlich gar nicht wiederhaben will oder dazu nicht berechtigt ist. Die Hausbesetzer wären somit gut beraten, wenn sie sich bei den Vertragsverhandlungen von den Wohnungsbaugesellschaften nicht mit Einzelmietverträgen abspeisen ließen: Sie sollten vielmehr zusätzlich auf die verbindliche Vereinbarung von 15jährigen Nutzungsverträgen mit voller Selbstverwaltung und Selbstbewirtschaftung — mit aufschiebender Bedingung — bestehen. Dieser Vertrag würde die Wohnungsbaugesellschaft dazu verpflichten, den Besetzern das Haus zu überlassen, wenn sich bei der Auswertung der Anträge zeigt, daß für das Haus bis zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung kein Antrag auf Rückerstattung gestellt worden ist. Der in Rede stehende Nutzungsvertrag mit voller Selbstverwaltung und Selbstbewirtschaftung würde ungefähr dem Standard westlicher Selbsthilfeprojekte entsprechen. Die Option auf diese Selbstverwaltungsverträge muß deshalb ausgehandelt werden, weil es unzumutbar ist, den Besetzern nur Mietverträge zu geben, wenn sie das Haus mit öffentlichen Mitteln und einem großen Teil Eigenleistung instandsetzen.

Die Besetzer des Scheunenviertels im Bezirk Mitte haben einen solchen Vertrag bereits ausgearbeitet. Die Option auf Selbstverwaltungsverträge wurde von Fuderholz ausdrücklich begrüßt. Doch dessen Zustimmung allein reicht nicht: Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte will den Vertrag erst unterzeichnen, wenn sie vom Senat beziehungsweise Magistrat eine Weisung bekommen hat. Doch der erforderliche Druck vom Magistrat, der alleiniger Gesellschafter der Wohnungsbaugesellschaften ist, kam bislang nicht. Wenn die von Momper und Schwierzina vielfach geäußerte Verhandlungsbereitschaft wirklich ernst gemeint war, müssen noch in dieser Woche Fakten geschaffen werden. Oder waren deren Bekenntnisse nur billige Wahlkampfmanöver? Plutonia Plarre