Spuren nicht verwischen

■ Museum auf dem Olympiagelände von 1936 gefordert INTERVIEW

Hans-Ernst Mittig arbeitet am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen und an der Hochschule der Künste in Berlin. Er beschäftigt sich mit Architektur und Kunst der Nazi-Zeit.

taz: Sollte es wieder Olympische Spiele auf dem Olympiagelände von 1936 geben?

Mittig: Ich habe generelle Vorbehalte gegen alle Olympischen Spiele überall. Aber wenn es sie in Berlin gäbe, dann sollte auch die Bedeutung des Geländes von 1936 nicht vergessen werden. Auf gar keinen Fall sollte man den zeremoniellen Teil der Spiele auf das Olympiastadion konzentrieren. Sonst könnte die diffuse Erinnerung, daß der Bau von den Nazis stammt, gar nicht bewältigt werden. Gerade bei uninformierten Besuchern müßte man befürchten, daß das beeindruckende Stadion dann doch den Nazis zugeschrieben wird. Nach dem Motto: Es war ja nicht alles schlecht.

Was muß auf dem Gelände getan werden, um die Besucher besser über Olympia 1936 zu informieren?

Es muß Schluß gemacht werden mit dem jetzigen selektiven Erinnern. Da wird die olympische Glocke einfach mit einer Aufschrift als Mahnmal umgepolt, obwohl die Hakenkreuze darauf noch erkennbar sind. Unglaublich ist, daß Carl Diem mit einer Erinnerungstafel geehrt wird. Diem hat nicht nur die 36er Spiele inszeniert, sondern sich noch im März 1945 beim Kampf um das Olympiastadion als Einpeitscher für kaum 16jährige rekrutierte Jugendliche betätigt. An die Tatsache, daß 2.000 Jugendliche bei der letzten Schlacht um das Stadion verheizt wurden, erinnert auf dem Gelände nichts. Das einseitige Erinnern muß aufhören.

Es gibt ja Modelle, wie man an diese Geschehnisse, an die 36er Spiele und die Architektur der Bauten und deren Funktion erinnern kann. Beispielweise das — noch keineswegs perfekte — Museum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Man sollte auf dem Olympiagelände im Freien ein Angebot bekommen, wo man hingehen kann, wenn man sich näher informieren möchte.

Meint also, das Gelände kann weiter für sportliche Zwecke genutzt werden?

Ich halte es für völlig verfehlt, solche Bauten, die wichtige Geschichtszeugnisse sind, etwa abzureißen. Es wäre verstiegen, einen so großen, noch nutzbaren Raum oder Bau wie das Olympiastadion nicht zu nutzen. Das gilt allerdings, wie ich meine, nicht durchgängig für alle NS-Bauten.

Aber: Gar nichts tun, nicht Hingehen, nicht Hingucken, das führt ja nun auch nicht gerade dazu, sich mit diesen damaligen Vorgängen noch auseinanderzusetzen. kotte