BUNSENBRENNER
: Gen-Geflüster

■ In den USA soll die "genetische Privatsphäre" geschützt werden

US-Umweltaktivist Jeremy Rifkin ist eine One-man-Show mit garantiertem Auftrittsrecht in allen Blättern und Gazetten, die ihn bestimmt nicht mögen. Vor allem die Wissenschaftszeitschriften seines Landes laufen immer wieder baß erstaunt seinen findigen Schachzügen hinterher. Neuester Coup: Rifkin hat es geschafft, einige prominente WissenschaftlerInnen und einen Kongreßabgeordneten zu überzeugen, mit ihm ein Gesetz zum Schutz der „genetischen Privatsphäre“ in den Kongreß einzubringen.

Unsere genetische Privatsphäre ist nämlich, kaum daß wir ihrer gewahr werden, schon heftig bedroht. Weltweit werden Millionen und Abermillionen in die Erforschung unserer Erbanlagen gesteckt. Und die „Gen-Diagnose“ boomt. Jede Woche veröffentlichen Fachzeitschriften neue Gen-Test-Methoden, mit deren Hilfe sich tatsächliche und angebliche Erbkrankheiten schon bei Embryonen diagnostizieren lassen. Als vererblich gelten mittlerweile unter Gen-ForscherInnen auch wieder Depressionen, Herzinfarkt und Krebs. Vor drei Wochen glänzte das hochangesehenen Wissenschaftsmagazin 'Science‘ gar editorial mit der Aussicht, der friedliche Teil der US-Gesellschaft könne sich per Gen-Test der Amokläufer entledigen, die im Rambo-Outfit in den Straßenfluchten umherlaufen und mit ihren MGs Schulkinder niedermähen.

Heiß auf Gen-Tests sind bis jetzt vor allem Versicherungen und Arbeitgeber. „An ihren Genen sollst du sie erkennen“, sagen sie sich — die Krankheitsanfälligen, die Chemiekalien-Empfindlichen, die Schnell-Verschlissenen. Rifkins Gesetz, der „Human Genome Privacy Act“, würde es WissenschaftlerInnen in Behörden und Universitäten, die von der öffentlichen Hand bezahlt werden, jedoch verbieten, ohne die schriftliche Einwilligung der Betroffenen deren genetische Daten weiterzugeben. Strafen sind auch vorgesehen: Zuwiderhandlungen würden mit bis zu 18 Monaten Gefängnis oder einer Geldstrafe von bis zu 30.000 Dollar geahndet. Und Ausnahmen ebenfalls: medizinische Notfälle und Kriminaldelikte. Rifkin wünscht sich, daß das Gesetz nach und nach ausgeweitet wird und sich dann auch auf private Arbeitgeber und Versicherer bezieht, die genetisches Sreening bereits anwenden oder dies gern tun würden. „Ich bin mir sicher“, so Rifkin prophetisch lärmend vor der Presse, „daß wir noch in diesem Jahrhundert eine Genrechtsbewegung erleben werden — so heftig und mächtig wie die Bürgerrechtsbewegung in den sechziger Jahren.“

Prominentester Unterstützer der Initiative „Human Genome Privacy Act“ ist W. French Anderson. Er hat vor kurzem an einem vierjährigen Mädchen die erste Gen-Therapie der Welt durchgeführt. Susanne Billig