Sparen oder Spekulieren

■ Wenn aus Männern Freunde und danach Feinde werden

Der stolze Spanier Luis M. (53) war ehrlich entrüstet. Sein „Freund“ habe ihn verraten. Die 110.000 Mark, die er ihm im Intercity nach München in die Hand gedrückt hatte, seien für das Sparbuch bestimmt gewesen. Für ein Stück spanische Heimat-Erde, auf dem er sich mit seiner Familie niederlassen wollte. Jetzt sei das Geld weg.

Belustigt saß der Freund Theodor G. (45) gestern auf der Anklagebank im Bremer Amtsgericht. Er hatte das Geld, das er im Juli 1987 bekommen hatte, beim Spekulieren verloren. 1987, Crash in der Börse, Crash in der Freundschaft: Geld weg, Vertrauen weg, alles weg.

Und Nerven weg, denn Amtsrichterin Gabriele Horn hatte einen harten Tag. Wem sollte sie glauben: Dem seriösen spanischen Chemiker im Nadelstreifen oder dem Diplomvolkswirt, der von Sozialhilfe lebt?

M. und G. kannten sich im Sommer 1987 bereits drei Jahre aus einem gemeinsamen Import- Export-Geschäft mit Wein. Das eher distanzierte Verhältnis schlug in warme Freundschaft um, als M. von den ungeheuren Börsentalenten seines Geschäftsfreundes erfährt. „Jedes Jahr zahlte er seinen Anlegern mindestens zwanzig Prozent Rendite“, erklärte G.s Rechtsanwalt gestern im Gericht. Das hatte sich in der Geldszene herumgesprochen. G. riskierte viel, lieh sich auf die Wertpapiere immer neues Geld, reizte jeden Pfennig aus und hatte viel Erfolg.

M. bietet G. Geld zum Spekulieren an. Auf einer Schweizer Bank hält der Spanier ein Depot, das über 200.000 Mark „und ein paar Reserven“ verfügt. Dafür habe G. eine Vollmacht besessen, erklärte M. gestern der Richterin in einem Schnellkurs Börsenwesen. Die 110.000 Mark in Scheinen sollte G. aus alter Freundschaft auf einem Girokonto in Münster einzahlen. Er selbst, M., habe dazu keine Zeit mehr gehabt.

G. läßt über seinen Anwalt verhandeln. Er habe das Geld natürlich von M. bekommen, habe es aber auftragsgemäß in Wertpapiere investiert. Auch für das Münsteraner Konto hat G. nämlich eine Vollmacht.

Die Funktion des Münsteraner Kontos blieb gestern ungeklärt. M. behauptet, G. habe sich die Vollmacht erschlichen, um ihn zu täuschen. G. ließ erklären, das Konto sei für Spekulationszwecke eingerichtet worden. Da drängten sich mehrere Fragen auf. Warum wählt der Anlagefachmann M. für seine 110.000 Mark ein einfaches Girokonto? Wie konnte es passieren, daß die Kontovollmacht für das Münsteraner Konto auch von G. unterschrieben war?

Richterin in Not, Staatsanwalt in Not, Luis M. in Wut, Theodor G. belustigt: Ein klassischer Fall für eine Aussetzung. Bis zum nächsten Termin will das Gericht die Bank sprengen und das Geheimnis des Münsteraner Kontos knacken. Und einen Zeugen einladen: L. behauptet, das Geld und den Anlageauftrag in Gegenwart eines bekannten Geschäftsfreundes übergeben zu haben. G. ist sich sicher, daß niemand dabei war.

mad