Daimler: soviel Arbeit wie nie

■ Autobauer sind sauer über Sonderschichten / Es boomt beim Autobau

Noch im Januar wurde bei Mercedes Benz für Arbeitszeitverkürzung und freien Samstag gestreikt. Inzwischen fühlen sich die Kollegen verschaukelt: Real arbeiten sie mehr denn je. Sechs Sonderschichten wurden ihnen für das laufende, 14 Sonderschichten für 1991 aufgebrummt. Darüber hinaus gibt es seit September die „neunte Stunde“. Für jeden, der Spätschicht schiebt, bedeutet das abends eine Stunde mehr. In diesem Jahr kommen die Kollegen von Montag bis Donnerstag später nach Hause, 1991 sogar von Montag bis Freitag.

„Ich weiß gar nicht, wofür ich auf die Straße gegangen bin“, empört sich ein Montagearbeiter, „jetzt arbeite ich mehr als vor dem Streik. Man kann das ganze Geld überhaupt nicht ausgeben“. Er ist kein Einzelfall. Viele seiner Kollegen fühlen sich inzwischen überlastet.

Daß die Arbeiter bei Daimler sauer sind, weiß auch Richard Ullmann, stellvertretender Betriebsrat. Noch Anfang des Jahres trat er lautstark für Arbeitszeitverkürzung und Familiensamstag ein. Im September gab er dann allerdings dem Druck der Betriebsleitung nach — seiner Meinung nach das „kleinere Übel“. Hätte der Betriebsrat in dieser Phase des großen wirtschaftlichen Aufschwungs bei Daimler nicht eingelenkt, so Ullman, wäre die Entscheidung von einer Einigungsstelle getroffen worden. „Das wäre für die Arbeiter dann noch schlechter gewesen“.

Ursprünglich hatte die Unternehmensleitung, „wegen der unerwartet hohen Nachfrage“, 20 Sonderschichten und zwei Stunden Mehrarbeit jeden Tag gefordert. Das Autogeschäft boomt wie nie. „Gegen diese Sachzwänge kommen wir nicht an“, erklärt Ullman seine schwankende Haltung. Mehr als diese Halbierung der Unternehmens- Forderung sei halt nicht drin gewesen, wegen des „unheimlichen Drucks von oben“.

Hermine Fischer, freigestellte Betriebsrätin, gehört zu den wenigen, die bis zuletzt gegen den Kompromiß waren. „Aber dann kamen auf einmal die Vertrauensleute und sagten, daß die Kollegen nicht vor die Einigungsstelle wollen und wir zustimmen sollen.“ Da seien dann die meisten endgültig umgekippt. „Inzwischen habe ich allerdings den Verdacht, daß die Vertrauensleute gar nicht die Meinung der Mehrheit ausgedrückt haben, sondern ihre eigene.“ Deshalb würden sich immer mehr Leute beschweren. bz