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Kunst, Knete und der Deutsche Dom

■ Martiny will mehr Geld für DDR-Theater, Künstler mehr Ateliers und Diepgen alles widerrufen

Mehr Geld will die Kultur- und Hauptstadtssenatorin Martiny von Bonn. Nach Aussage der SPD-Politikerin benötigt der Kulturhaushalt des Landes Berlin im nächsten Jahr rund 550 Millionen Mark mehr als eingeplant. Dieser finanzielle Mehrbedarf »im Zuge der deutschen Vereinigung« übersteige »sowohl 1991 als auch in den folgenden Jahren die Möglichkeiten Berlins bei weitem«, betonte Frau Martiny in einer Presseerklärung. Daher sei eine Beteiligung des Bundes in Höhe von 386 Millionen Mark — ohne Berücksichtigung zusätzlich notwendiger Ausgaben für die Kirchen und für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz — angemessen. Dies entspräche einem Finanzierungsanteil des Bundes bei den ehemals zentral geleiteten Kultureinrichtungen der früheren DDR von 80 Prozent und bei kommunalen Kulturinstitutionen von 70 Prozent.

Bislang hat der Bund nur »eine Finanzierungsquote von deutlich unter 50 Prozent« signalisiert.

Die von Bonn angebotene Mitfinanzierung für Berliner Kultureinrichtungen von gesamtstaatlicher Bedeutung wie die Deutsche Staatsoper, Komische Oper, das Deutsche Theater, Berliner Ensemble, Schauspielhaus, Berliner Sinfonie-Orchester, Brecht-Zentrum, Sport- und Schulmuseum sowie Centrum Judaicum in Höhe von 80 Millionen Mark reicht nach Martinys Ansicht nicht aus. »Die Berliner Landesregierung unternimmt seit geraumer Zeit erhebliche Anstrengungen, um die Kultureinrichtungen im Ostteil der Stadt zu sichern und auf eine solide Grundlage zu stellen«, heißt es in der Presseerklärung. Es sei allerdings dringend erforderlich, »daß der Bund der Hauptstadt Berlin zur Bewältigung dieser außerordentlich schwierigen Aufgabe beistehe«.

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Kritisiert wurde die fordernde Senatorin derweil von den Künstlern der Stadt. 1.000 Ateliers fehlen derzeit in Berlin. Zugleich sehen bildende Künstler der Stadt durch Mietpreissteigerungen um bis zu 300 Prozent und Kündigungen ernsthaft ihre Arbeitsmöglichkeiten bedroht.

Bei einer Anhörung am Dienstag abend in der Akademie der Künste im Westteil Berlins brachten sie zum Ausdruck, daß sie von Kulturverantwortlichen beider Teile der Stadt sowie von Vertretern der CDU, AL und FDP klare Wahlaussagen zur Verbesserung ihrer Situation erwartet hätten. Frau Martiny wurde vorgeworfen, sich in ihrer Amtszeit nicht genug für die Belange der freien Künstler eingesetzt zu haben. Ihre Argumente, wonach der Fall der Mauer die Lage »deutlich verändert« habe und noch keine Klarheit über finanzielle Zuschüsse des Bundes bestehe, wurden für halbherzig erklärt. Als zu gering bewerteten die Künstler ebenso die für 1991 für Selbsthilfemaßnahmen der Künstler beim Atelierausbau in Aussicht gestellten Förderungsgelder von 300.000 DM. Während die FDP die Künstler in die Wüste, an den Stadtrand Ost-Berlins schicken will, plädiert die CDU, in Person ihres Berliner Generalsekretärs Klaus Landowsky dafür, die im Ostteil der Stadt leerstehenden Wohnungen weniger an Hausbesetzer denn an Künstler zu vergeben.

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Schon am Dienstag morgen versuchte sich sein Chef mit populistischen Versprechungen bei frustrierten Kulturarbeitern einzuschmeicheln. Als Mitarbeiter nachgeordneter Kultureinrichtungen aus Ost-Berlin vor dem Rathaus Schöneberg gegen den Magi-Senats-Beschluß »zur Abwicklung und Überführung« ihrer Einrichtungen protestierten und die Beschwichtigungsversuche ihrer Stadträtin Irana Rusta mit Rufen wie »Lüge« oder »Abtreten« quittierten, erschien überraschend Eberhard Diepgen. Der CDU—Landesvorsitzende versprach den Ostberliner Kulturarbeitern, nach seiner Wahl den Beschluß vom 6.November zu revidieren.

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Der Deutsche Dom am ehemaligen Gendarmenmarkt, dessen Träger noch das DDR- Zentrum für Kunstausstellungen ist, soll in die Trägerschaft der Kunsthalle Bonn gelangen. Die Kunsthalle, eine gemeinsame Einrichtung der alten und demnächst auch der neuen Bundesländer, werde damit eine Dependance in Berlin begründen und den Deutschen Dom für Kunstausstellungen nutzen. Die Bautätigkeiten, für die noch etwa 45 Millionen Mark aufgebracht werden müsse, könne mit geringen Modifikationen aus Mitteln der Bundesregierung fortgesetzt werden.

Das »Zentrum für Kunstausstellungen der DDR« geht in die Trägerschaft des Instituts für Auslandsbeziehungen (IfA) in Stuttgart über. Das gaben gestern Vertreter beider Einrichtungen in Berlin bekannt. Durch diese Zusammenarbeit sei die Lebensfähigkeit der Einrichtung gesichert, meinte der frühere Staatssekretär des DDR-Kulturministeriums, Udo Bartsch. Von den 70 Mitarbeitern der DDR- Einrichtung dürfen zehn auf eine Anstellung in der neuen Berliner Ausstelle des IfA hoffen. a.m./adn/dpa

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