Senat stoppt Ausbau des Lehrter Güterbahnhofs

■ Neue Verhandlungen mit der Reichsbahn/ Buga könnten Flächen fehlen

Berlin. Der Senat will den Ausbau des »Hamburg und Lehrter Güterbahnhofs« an der Moabiter Heidestraße stoppen und mit der Reichsbahn neu über das umstrittene Projekt verhandeln. Wie erst gestern bekannt wurde, beschloß die Landesregierung am Dienstag, die Realisierung der zweiten Ausbaustufe des Bahnhofs zu stornieren und die dafür im Haushalt verankerten Mittel nicht zu entsperren. 71,8 Millionen Mark bleiben damit weiter eingefroren. »Unsere Haltung hat sich durchgesetzt«, freute man sich gestern im Hause von Bausenator Wolfgang Nagel (SPD).

In einem am 25. Januar des vergangenen Jahres abgeschlossenen Vertrag hatte sich der Senat gegenüber der Reichsbahn der — damals noch — DDR verpflichtet, den Güterbahnhof auf eigene Kosten zu einem modernen Containerbahnhof umzurüsten. Im Gegenzug sollte die Reichsbahn dem Senat große ehemalige Bahnflächen zur »städtebaulichen Nutzung« überlassen, darunter das Moabiter Werder, die Fläche des ehemaligen Anhalter Personenbahnhofs und die des Gleisdreiecks zwischen Schöneberg und Kreuzberg. Die Übergabe dieser Flächen sei jetzt gefährdet, wurde in der Senatsverkehrsverwaltung gestern auf Nachfrage der taz eingeräumt.

Damit steht auch die für 1995 in der Stadtmitte vorgesehene Bundesgartenschau erneut auf der Kippe. Es bestehe die »Gefahr«, daß die Gartenschau in eine neue »Unsicherheitsphase« gerate, formulierte es Buga-Geschäftsführer Hendrik Gottfriedsen gestern vorsichtig. Besonders die Einbeziehung des Gleisdreiecks in die Gartenschau sei nun »zusätzlich gefährdet«, fürchtet der Geschäftsführer. Einen Teil der vereinbarten Flächen müsse die Reichsbahn dem Land Berlin jedoch überlassen, hofft Gottfriedsen, weil der Senat die erste Ausbaustufe des Güterbahnhofs vereinbarungsgemäß Ende nächsten Jahres fertigstellen werde. Er rechnet deshalb damit, daß das Moabiter Werder in den Händen der Buga bleibt. Der Grund besteht darin, daß hier mehr als 1.000 Wohnungen entstehen sollen, an denen auch Bausenator Nagel großes Interesse hat.

Vorerst bleibt das jedoch Spekulation. Bevor der Senat die neuen Verhandlungen mit der Reichsbahn aufnehmen könne, müsse zwischen den beteiligten Senatsverwaltungen geklärt werden, »wohin« die Gespräche führen sollten, heißt es in der Verkehrsverwaltung. So müsse nach einem Alternativstandort für das Projekt gesucht werden.

Bisher hatte die Verkehrsverwaltung stets darauf verwiesen, es gebe keine sofort verfügbare Ersatzfläche. Während Wagner deshalb an dem Moabiter Standort festhalten wollte, hatte sich Bausenator Nagel seit Wochen für einen Ausbaustopp in Moabit eingesetzt. Seit der Öffnung der innerstädtischen Grenzen sei der Güterbahnhof in Moabit falsch plaziert, da er nun mitten in der Stadt und nicht mehr am Stadtrand liege, argumentiert der Senator. Darüber hinaus beeinträchtige das Projekt mit seinem Lärm und dem zu erwartenden LKW-Verkehr die Stadterneuerung in der angrenzenden Lehrter Straße.

Neben Wagner hatte sich auf der anderen Seite auch Ex-Umweltsenatorin Schreyer für den weiteren Ausbau eingesetzt. Schreyers Motiv war die Angst um die Buga. Wagners Experten warnten, mit einem Baustopp für den Containerbahnhof würde „das einzige Wachstumspotential im Güterverkehr der Bahn geschädigt“. Ähnlich äußerten sich in der Vergangenheit auch Reichsbahn und Bundesbahn. hmt