ISDN-Profil: Wer quatscht mit wem, wann, wie lange?

Die Arbeitsgruppe der Informationstechnischen Gesellschaft hat Datenschutz-Empfehlungen für die Telekom formuliert — doch ohne bindende Wirkung  ■ Von Frank Holzkamp

Berlin (taz) — „Datenschutz im ISDN“ — auch der Bericht einer Arbeitsgruppe der „Informationstechnischen Gesellschaft“ (ITG), der am Dienstag in Frankfurt vorgelegt wurde, wird wenig in der Debatte um den computergerechten Ausbau des Telefonnetzes zum ISDN bewegen, obwohl durchaus Positionen der speicherwütigen Post zur Diskussion gestellt wurden. Beteiligt waren neben Vertretern von Telekom und Fernmelde-Industrie auch Bundestagsabgeordnete und ein Abgesandter des Bundes-Datenschutzbeauftragten. „Handlungsempfehlungen“ wurden an die Telekom gegeben, allerdings ohne bindende Wirkung.

Das Papier konzentrierte sich auf drei technische Merkmale, die das zukünftige digitale Telefonnetz und insbesondere das ISDN grundlegend vom vorhandenen analogen Netz unterscheiden: die Rufnummeranzeige beim Angerufenen (RNA), den Einzelgebührennachweis (EGN), und, als dessen Voraussetzung, die Erfassung der Verbindungsdaten (wer/mit wem/wann/wie lange) als Kommunikationsdatensatz. Weiter wirbt die Post mit einer Vielzahl neuer Leistungen wie Anrufumleitung und Anruferliste, deren datenschutzrechtliche Relevanz noch offen ist.

Im Mittelpunkt der Debatte steht zur Zeit neben der Speicherung der kompletten Zielnummer, also der Nummer des Angerufenen, die Möglichkeit der maschinellen Auswertung der Verbindungsdaten als „Kommunikationsprofil“. Alle diese Merkmale schränken die Anonymität beim Telefonieren potentiell ein. Das ISDN ähnelt technisch dem Computernetz IDN, in dem vergleichbare Daten für den Verbindungsaufbau nötig sind und zur Gebührenberechnung verarbeitet werden. Doch das ISDN wird, sollte es sich denn durchsetzen, vorwiegend der Sprachübertragung dienen. Auch Normaltelefonierer könnten zukünftig betroffen sein, da in Vorbereitung des ISDN die Umstellung aller Vermittlungsstellen auf digitale Technik begonnen hat. Im Hause des Datenschutzbeauftragten erwartet man jedenfalls, daß langfristig nur noch eine Art von Gebührenabrechnung angeboten wird. Zur Zeit speichert die Telekom die Verbindungsdaten in ISDN (auch beim Autotelefon) 80 Tage lang nach Versand der Fernmelderechnung in einem zentralen Rechner in Offenburg.

Ein prominentes Opfer der Speicherung beim Autotelefonieren war Uwe Barschel. Dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten wurde durch den Postcomputer posthum nachgewiesen, daß er drahtlos eine Wanze zur Ausspitzelung seines SPD-Kontrahenten Engholm orderte. Vergleichbar sensibel sind die im ISDN anfallenden Daten — zumal sie nach § 12 des Fernmeldeanlagen-Gesetzes (FAG) auch bei minder schweren Delikten für Richter und Staatsanwälte zugänglich sind.

Als datenschutzrechlich optimale Lösung nennt der Bericht: „Berechnen der Gebührensumme in der (dezentralen) Vermittlungsstelle, dann Löschen der Verbindungsdaten“. Die Gebühren würden, wie im analogen Netz, nach Ende des Gesprächs berechnet und die Verbindungsdaten überschrieben. Die „Handlungsempfehlung“ aber bleibt watteweich — alternativ zur 80-Tage-Speicherung, die für die Überprüfbarkeit der Fernmelderechnung sorgen soll, wird nahegelegt, das „Berechnen der Gebühren im (zentralen) Rechenzentrum, dann Löschen nach Rechnungsabsendung“ anzubieten. Diese Vorkehrung sei für die Telekom „technisch und betrieblich ohne zu großen Aufwand realisierbar“. Der technokratische Sachzwang hält damit Einzug in eine Debatte, die in einer breiteren Öffentlichkeit noch gar nicht begonnen hat.

Neben konkreteren Datenschutzbestimmungen wird immerhin eine Modifizierung oder Streichung des § 12 FAG angeregt — ebenso die Speicherung einer um die Endziffern verkürzten Zielnummer, aus der keine Rückschlüsse auf die angerufene Person möglich sind. In anderen europäischen Ländern ist eine solche Verkürzung zumindest im EGN vorgesehen. Sollten selbst die vorsichtigen Empfehlungen der ITG-Arbeitsgruppe bei den Postlern auf taube Ohren stoßen — das Institut für Informations- und Kommunikationsökologie unterstützt zur Zeit zwei Klagen, die die Telekom zwingen sollen, auf die Speicherung der letzten zwei oder vier Ziffern der Zielnummer zu verzichten.