Prozeß wegen Anschlags auf Moslemführer

Aachen (taz) — Nur Angaben zur Person wolle er machen, sagte der Angeklagte Saad A., aber kein Wort zur Sache. So begann gestern vor dem Aachener Schwurgericht der Prozeß gegen den 34jährigen Syrer, dem Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt vorwerfen, im März 1981 — zusammen mit zwei bislang nicht gefaßten Mittätern — in Aachen ein Blutbad angerichtet zu haben. Laut Anklage war A., „ein überzeugter Anhänger des syrischen Staatsorberhauptes Assad“, mit mehreren Waffen und einer Handgranate in die Wohnung „des verhaßten Exilpolitikers Issam El-Attar“ eingedrungen und hatte mit fünf Schüssen dessen Frau niedergestreckt. Der Staatsanwalt: „Gemeinschaftlicher Mord.“

El-Attar war jahrelang Chef der radikalen syrischen Moslembruderschaften; jener panarabischen Fundamentalistenströmung, die weltliche Regime und erst recht sozialistische wie das des Assad in Syrien auch mit Gewalt bekämpft und durch moslemische Gottesstaaten ersetzen will. El-Attar und sein Aachener Islamisches Zentrum sind seit September unter erheblichem politischem Druck, weil sie einen zigmillionen teuren Moscheekomplex in der Printenstadt bauen will. Von den Hintergründen des Mordanschlages werden Details über die Führerschaft El- Attars in der militanten syrischen Fundamentalistenszene erhofft.

Saad A. bestreitet die Tat. Wie die taz erfuhr, erklärte er in den polizeilichen Vorermittlungen, niemals in seinem Leben in Aachen gewesen zu sein. Indes hat er, wie er gestern in bestem Deutsch vor Gericht schilderte, sein halbes Leben hierzulande verbracht, und zwar in beiden Deutschlands. Nach fünf Jahren Seemannsschule in Norddeutschland reiste er, via Damaskus, im Tatjahr 1981 unter falschem Namen in die DDR. Der Grund: Studium im befreundeten sozialistischen Bruderland und Weiterbildung in der Schiffahrt. Der Verteidiger legte auch diverse Zeugnisse und Auszeichnungen vor. Unter anderem habe sein Mandant den „Orden Banner der Arbeit“ erhalten für die „sehr guten Prüfungsleistungen bei über 40 Fährfahrten und 17 Bugsiervorgängen“. Dialog Richter-Saad A.: „Waren Sie in Warnemünde auch in der August-Bebel-Straße?“ — „Ja, im Studentenwohnheim.“ — „Ich meine, in der Stasi-Zentrale?“ — „Nein, kenne ich nicht.“

Saad A. war, trotz allgemeiner Wehrpflicht, nie beim syrischen Militär. Er habe sich halt immer drücken können, erklärte er gestern. Für den April '89 (33jährig) habe er dann einen Einberufungsbescheid gehabt, doch da kam die Verhaftung zuvor. Sein Schwager ist studierter Polizeioffizier, der Bruder Justizbeamter. Das könnten nach Ansicht von Prozeßbeobachtern erste Indizien für A.s politische Karriere sein — Rückschluß: Statt in der regulären Armee habe er wohl bei anderen Stellen sozusagen Ersatzdienst geleistet.

Dem Verteidiger ist der ganze Prozeß nicht geheuer. Er warf dem Gericht „verdeckte Ermittlungen“ vor und Erkenntnisse, die ihm nicht zugänglich gemacht wurden. Zudem habe die Staatsanwaltschaft Geheimrecherchen in der DDR angestellt. Der Anwalt des Nebenklägers El-Attar sprach von Zeugen, die sich in Lebensgefahr wähnten. (Der erste hatte sich gestern gleich krank gemeldet.) Er schilderte seinen Mandanten hernach als „ehrenhaften Religionswissenschaftler“, der „keine Rache oder politischen Prozeß“ wolle, sondern „nur Fairneß und Gerechtigkeit“. Mit Spannung wird am kommenden Mittwoch der Zeuge El-Attar erwartet, der sich sonst, außer als Imam beim Freitagsgebet, nie in der Öffentlichkeit zu Wort meldet. Bernd Müllender