Turbokuh auf der Wartebank

Brüssel (taz) — Der Milchsegen der Turbokuh wird sich voraussichtlich frühestens 1992 über die Verbraucher ergießen. EG-Agrarkommissar Ray Mac Sharry will das in der EG bestehende Moratorium für die Anwendung des gentechnisch hergestellten Rinderwachstumshormons „r BST“ um ein Jahr verlängern. Nachdem die US-Gesundheitsbehörde bereits vorletzte Woche einen gleichlautenden Beschluß getroffen hat, wird vermutet, daß das entscheidende EG-Gremium, der Agrarministerrat, bei seiner Sitzung am 10.Dezember dem Antrag der Kommission zustimmen wird. Das bestehende Moratorium läuft Ende des Jahres aus.

Das „r“ im BST steht für gentechnisch rekombiniert. Damit soll dem Euter Dampf gemacht werden. 1985 wiesen US-Wissenschaftler nach, daß eine Kuh bis zu 25 Prozent mehr Milch gibt, wenn ihr das Hormon regelmäßig gespritzt wird. Vor allem vier US-Firmen waren an der Entwicklung von r BST maßgeblich beteiligt — Upjohn, American Cyanamid, Monsanto und Eli Lilly. Die beiden letzteren haben bei dem in der EG-Kommission angesiedelten „Ausschuß für Tierarzneimittel“ einen Antrag auf Zulassung ihrer Produkte gestellt. Der Ausschuß hat in der Nacht zum Mittwoch beschlossen, die Entscheidung über die Zulassung von r BST auf Januar zu verschieben. Falls im Januar die Zulassung beschlossen wird, würde dies zu der absurden Situation führen, daß die Droge zwar zugelassen, ihre Anwendung aber verboten wäre. Die „technische Empfehlung“ des Ausschusses sei rechtlich nicht bindend für die Mitgliedsstaaten, erklärte ein Vertreter der deutschen EG-Delegation. Für die Bundesrepublik, wo Bundestag und Bundesrat ein Verbot von gentechnologisch erzeugten leistungssteigernden Hormonen gefordert haben, würde dies jedoch bedeuten, daß zwar die Anwendung der Droge im Lande selbst verboten, Importe von gentechnologisch hergestellter Milch aus anderen Ländern aber zugelassen wären. Dies allerdings widerspräche der im Rahmen des Binnenmarktes angestrebten Harmonisierung der Handels- und Produktionsbedingungen. Michael Bullard