AUSALAADDINSTASCHENLAMPE

MÄRCHENAUS1001NACHT?  ■  WENIG GEISTVOLLE WUNDER

Manchmal erscheint er in tiefer Nacht in der Glotze, der bekannt-betagte Showmaster: Er zieht sich die Brille von der Nase und klappt ein schweres Buch zu, und wirkt dabei wie der gute Märchenonkel an der Kinderbettkante. Allerdings gilt im Fernsehen sein Auftritt den über ihre Kindheit hinausgewachsenen Menschen. Für Kinder hingegen — genauer gesagt für Menschen ab 5Jahre — sammelt ein leibhaftiger Märchenerzähler langsam seine Requisiten zusammen, stopft sie alle in einen kleinen Koffer und verläßt die Bühne so, wie er gekommen ist. So jedenfalls endet das Stück »Alaaddins Taschenlampe«. In der Art, wie sich der Erzähler verabschiedet, liegt der Unterschied, der Eindruck jedoch ist fatal ähnlich.

Just zu der Zeit, wenn abgelegte Hausmärchenbücher wieder zum Vorschein kommen, hat die Projektruppe »Tausend und eine Ausnahme« die alte Erzählung von Alahdins Wunderlampe in Form eines Spielstückes namens »Alaaddins Taschenlampe« aufbereitet. Dargestellt einzig und allein von einem Schauspieler (Olcay E. Ekinci), der in sämtlichen Rollen — von Alaaddin bis zum Lampengeist, von der klagenden Mutter bis zur geliebten Sultanstochter — schlüpft. Mit Seidenschal, Schirmmütze und natürlich einer Taschenlampe bewerkstelligt er diese Rollenakrobatik, derweil er die ganze liebe lange Geschichte von Alaaddins Schicksal mit allem, was die Märchenwelt an Gutem und Bösem zu bieten hat, unablässig erzählt. Wie eine angetippte Dominosteinkette stürzen Liebe, Glück und Eifersucht, Intrigen, Habgier und Bosheit, fauler und rettender Zauber über einen her, daß es schwierig wird, der prallen Prosa zu folgen. Parodistische Einlagen (Alaaddin berlinert immerhin) haben dabei eher den Geschmack einer roten Zierkirsche, um deren Genuß wegen jemand selbst eine fette Sahnetorte zu sich nimmt. Diese jedenfalls wird den Kindern zugemutet.

Ein kleines Wunder in Gestalt einer neuen, überraschenden, womöglich kritischen Deutung bietet die gespielte Alaaddin-Fassung von »Tausend und einer Ausnahme« nicht. Es bleibt beim alten Zauber aus 1001 Nacht, der nur ein wenig mit umgangsdeutschen Tönen und flapsigen Spüchen aufgepäppelt wurde. Der Lampengeist erfüllt folgsam jeden eigensüchtigen Wunsch und die Ereignisse steuern — wie im Märchen üblich — auf ein unvermeidliches und erwartetes Happy-End zu.

Man gibt sich alle Mühe, mit wenigen Hilfsmitteln und lockerer Spielweise ein witziges flottes Stück auf die Bühne zu bringen. Doch redliches Bemühen allein reicht nicht aus, um ein Publikum zu begeistern, auch nicht — oder schon gar nicht —, wenn es noch jung ist, nicht auf 'nem, Bildschirm und erst recht nicht auf 'ner Bühne. Christian Bahr

5.+6.12.,11Uhr,BALLHAUSNAUNYNSTR.