The Waltons

■ Denn Mythos muß schon sein

Von der Amerika-Begeisterung vieler Berliner Bands haben wir letztes Wochenende erst berichtet. Jetzt können wir hier eine weitere Kapelle präsentieren, die beharrlich im Sand wühlt und dabei endlich auf einen Guru stieß, dessen Ohr sie von Anbeginn begeistern wollten.

Die Waltons, um die es hier geht, lassen seit einigen Jahren ihrer Begeisterung für uramerikanische Country-Klänge freien Lauf. Als echte Kids der Achtziger spielten sie diese Traditionsmusik allerdings mit gehörigem Punk-Einschlag und besetzten damit das Etikett Cow-Punk für Deutschland.

Punk hat ja durch die Zeit einige Mutationen mitgemacht, bis er sogar in den Metal crossoverte (und umgekehrt; Berührungsängste schwanden). Die Waltons vollzogen diese Veränderung auf ihren Platten mit und versuchen sich seit '89 an ihrer speziellen Country-Metal-Variante. Die Reihenfolge der Begriffe ist bedeutsam, denn nach wie vor schöpft die Band ihre Ideen aus den Mythen des weiten Landes. Doch weil heavy zur Zeit angesagt ist, werden diese jetzt breit getreten.

Es ist einigermaßen erstaunlich, wie gut schunkelnde Melodien und abgehackte Gitarrenriffs zusammenpassen. Die Sperrigkeit des Metals und die Sprödheit der Wüstenmusik ergänzen sich in reibender Widersprüchlichkeit. Die Waltons spielen trockener udn werden damit ernster, auch wenn die meisten Songs immer noch straight nach vorne losgehen. Die spitzbübische Saufseligkeit der Mistgabelbauern haben sie hinter sich gelassen, sie setzen sich bewußter in Bezug zu ihren Einflüssen, ohne jedoch den Colt aus der Hand zu legen, denn Mythos muß sein. Aus dem unreflektierten Zitieren ist eine ironische Auseinandersetzung geworden.

Diesen Weg hat den Traditionstransformer aus den Staaten, Jason Ringenberg aus Nashville, Tennesse, auf die Berliner aufmerksam werden lassen. Auch er arbeitet mit den Scorchers schon seit Beginn der 80er an sowohl lustigen als auch enthusiastischen Spielarten rund um Country und Rock'n‘Roll, wobei der Punk nicht außen vor bleiben darf. Weil Jason and The Scorchers auch schon Heavy-Riffs ausprobiert haben, gefielen dem Herrn Ringenberg die Waltons (hat sie wohl bei seinen Berlin-Besuchen im Alabama getroffen), und er flog sie nach Nashville ein, um ihre jüngste LP zu produzieren.

Dieser Credit dürfte die Waltons einige Beliebtheits- und damit Verkaufsstufen höher pushen. So promoten sie die neue Platte mit einer Tour, bevor sie überhaupt erhältlich ist, doch Jasons Name kann so schon mal extensiv ins Spiel gebracht werden. Diese Werbung hätten die Waltons eigentlich nicht nötig, denn ihre gallopierenden und trotzdem großstadttauglichen Songs sprechen ungestüm für sich, live erst recht. Aus den bergen direkt ins Märkische Viertel. Schwalbe

Um 21 Uhr im Ecstasy