World-Aids-Day

Das »jahr der Behinderten« zog genauso folgenlos vorüber wie die »Woche des ausländischen Mitbürgers« und jede andere Gedenkveranstaltung dieser Art, die nur dazu dient, die Genannten zu klientisieren. Der »World-Aids-Day«, eine Idee der WHO, jährt sich am Samstag zum dritten Mal.

Letztes Jahr gab sich die »Gay Community« im Anschluß an eine Candlelight-Demo kämpferisch: Ein Haus wurde besetzt, die Obdachlosgkeit von Aids-Kranken angegriffen. Die Polizei aber räumte innerhalb einer Stunde, von der AL (Wahlen standen nicht bevor) hörte man keinen Mucks.

Etwas gehört allerdings haben einige Besetzer von der Staatsanwaltschaft. Hausfriedensbruch warf sie ihnen vor, bot aber an, bei einer Spende von 300 Mark von der Anklage abzusehen. Angegeben war die Kontonummer der Berliner Aids-Hilfe...

In jeder Hinsicht billiger ist der World-Aids-Day in diesem Jahr. Eine Aktion am Wittenbergplatz hat zu dem Themenschwerpunkt »Frauen« ein neues Bündnis von AIds-Hilfe, Gesundheitsbeamten und dem Büro für ungewöhnliche Maßnahmen gaplant: Mit Präser- Theater und dem Kondomieren von Passanten will es veranschaulichen, daß »Frauen sich nur vor AIds schützen können, wenn die Männer dazu bereit sind, ein Kondom zu benutzen«. Mag sein, daß hetero-Männer sich von der bloßen Penetration noch immer nicht verabschieden können, einer lesbischen HIV-Infektion aber bedarf es mit Sicherheit keines Mannes. Beim Needle-Sharing zwischen einem Fixer und einer lesbischen Fixerin wiederum würde ein Gummi über'm Spritzbesteck wenig schützen.

Die notwenidge Sensibilität und Solidarität beim Thema Aids hat der »Tag des positiven Mitbürgers« somit nicht zu bieten, dafür jede Menge Unterhaltung: Aus seinen Gedichtbänden liest Detlev Meyer schon am Freitagabend in der Theodor-Heuss-Bücherei. Samstagnacht findet im SchwuZ eine Disco zum Thema statt, allerdings ohne den angekündigten Benefiz-Sampler »Red, Hot & Blue«. Wer den Wecker stellt, kann Sonntagfrüh die deutsche Erstaufführung des Dokfilms »Common Threads« im RIAS-TV erleben.

Einen World-AIDS-Day lediglich für mehr Kultur brauche wir nicht, die wirklichen Über aber nennt er nicht beim namen. Indem Verantwortliche vorgeführt werden, geht die Wittenbergplatz-Aktion zwar in die richtige Richtung, über die reine Aufklärung hinaus würde ein »Prof.-Pohle-Tag« oder eine »Stahmer-Woche« das Engagement weiter politisieren. Die psycho-soziale Betreung von Aids-Patienten im Virchow-Krankenhaus beispielsweise liegt genauso wie das Verhätlnis der Senatorin zu den Aids-Selbsthilfegruppen absolut im Argen. Micha Schulze