Mitternächtliches Verlagsgeschäft

■ Akademiepräsident Klinkmann verhökerte widerrechtlich den Hermann Böhlau Verlag

Berlin (taz) — Zwei Stunden vor der deutschen Einheit wurde im Berliner Grand-Hotel noch rasch ein dickes Geschäft abgewickelt. Der Präsident der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW), Horst Klinkmann, verkaufte einen Verlag, der ihm gar nicht gehörte. Über den Tisch ging der Verlag Hermann Böhlau Nachfolger in Weimar.

Dieser Verlag wurde 1624 in der thüringischen Stadt als Hofdruckerei gegründet und von Hermann Böhlau und dessen Erben fortgeführt. Während der Inflationszeit in den Zwanzigern mußte der Verlag Konkurs anmelden. Karl Rauch, damals Professor für Wirtschaft und Rechtsgeschichte an der Universität Jena, rettete das Unternehmen, behielt aber den Namen bei. Als die Nazis in Thüringen an die Macht kamen, verließ Rauch Weimar. In Graz gründete er 1947 den Hermann Böhlau Nachfolger Verlag, der Böhlau Verlag GmbH ließ sich in Köln nieder.

Das Weimarer Haus wurde von einer ehemaligen Angestellten, Leiwa Petersen, als Kommanditgesellschaft weitergeführt. Als Gesellschafter fungierten die beiden Kinder des inzwischen verstorbenen Karl Rauch.

Als Anfang der siebziger Jahre sämtliche Privatbetriebe vom DDR- Staat vereinnahmt wurden, geriet auch dieser Verlag unter Verkaufsdruck. Aber erst 1978 kaufte die Akademie der Wissenschaften zum Schleuderpreis das Unternehmen. Damit hatte der Staat den Verlag in der Hand. Der Verkauf an die AdW garantierte allerdings weiterhin ein streng wissenschaftliches Verlagsprogramm. Außerdem wurde damals vereinbart, daß die beiden Tochterunternehmen in Köln und Graz den größten Teil der Produktion des alten Weimarer Verlages im Westen verkaufen. Auch der Name „Böhlau Weimar“ sollte beibehalten werden, und die Klausel, daß der alte Name und die Verlagsrechte an niemanden Dritten, insbesondere keinen Konkurrenten, überlassen werden, sollte weiter gelten.

Zweiundzwanzig Jahre später sah dann alles ganz anders aus. Der Sohn des alten Rauch, Peter, auf den die Gesellschaftsrechte übergegangen waren, verhandelte schon seit Juni mit der AdW und stellte im September einen Rückgabeantrag, über den bis heute noch nicht entschieden ist. Doch das scherte den Akademiepräsidenten offensichtlich wenig. Klinkmann schaltete sich höchstpersönlich ein und veräußerte den Verlag samt Namen an den Geschäftsführer des Thorbecke Verlages, Joachim Bentsch, in Sigmaringen.

Die westlichen Erben haben sich inzwischen einen Anwalt genommen und verklagen Klinkmann, den Verkauf rückgängig zu machen. baep