Obdach nur noch im ungeheizten Bunker

■ Wohnungsnot: Heizung im Übernachtungs-Bunker kaputt / Behörde tatenlos / Junkies aufs Schiff

Draußen wird es immer kälter. Drinnen auch: Seit zehn Tagen sitzen Junkies und andere Obdachlose ohne Heizung im Bunker Delmestraße. Nur in dem kleinen „Büro“ der Bunkeraufsicht läuft ein kleiner Elektroheizlüfter, an dem sich die BesetzerInnen von Zeit zu Zeit aufwärmen. Trotz wiederholter Meldung ist nichts passiert. Die Sozialbehörde will lediglich von einem einzigen Ausfalltag erfahren haben, an dem ein Heizungsmonteur an der Anlage gearbeitet haben soll.

Nur einmal am Tag schalten die BewohnerInnen die Lüftung an. In den Schlafräumen ist es entsprechend kalt und muffig. Mittags bringt der DPWV ein paar warme Mahlzeiten. In täglich wechselnder Vier-Mann-Schicht sorgen die BewohnerInnen für Ordnung und machen sauber. Überall stehen Schraubkanister für die gebrauchten Spritzen, neben einem der Betten sogar eine Grünpflanze.

„Hier hat sich seit Tagen keiner blicken lassen“, sagt Hacky, der sich in dem besetzten Bunker als „Schleusenwärter“ betätigt, und die Umstehenden bestätigen das. Nur, wer an der Eingangsschleuse klingelt und sich über Zuruf zu erkennen gibt, wird eingelassen. „Leute, die mit Heroin oder Pillen voll sind, könnten an der Betontür ja abkippen“, und dann würde keiner mehr rein oder rauskommen, erklärt der Türsteher. Er ist mittlerweile seit fast drei Wochen in dem Bunker, „Tag und Nacht“ (Hacky) - so daß er gestern bei einem „Landgang“ schon Orientierungsschwierigkeiten an sich feststellte.

Längst sind nicht mehr nur Junkies in dem Bunker: Andere hoffnungslos Obdachlose, wie Hacky R., haben sich hinzugesellt. Die Bunkeraufsicht („Suizidkommando“ im Bunkerjargon) führt Nacht für Nacht Namenslisten der Anwesenden: 25 bis 30 im Durchschnitt. Einige seien vom Drogensozi in den Bunker geschickt worden — Kostenübernahmescheine für Hotels und Pensionen gebe es schon lange nur noch in Ausnahmen (z.B. für Haftentlassene).

Einige Plätze konnten jetzt durch die Umsiedlung von AsylbewerberInnen in Wohnungen freigeräumt werden. Gestern Nachmittag zog dann ein Abgesandter der städtischen Drogenberatungsstelle mit „guten Nachrichten“ zum besetzten Bunker: Sozialsenatorin Sabine Uhl ließ den BesetzerInnen mitteilen, daß nun für jeden ein Bett zu Verfügung stünde: In Hotels, Pensionen und auf dem Übernachtungsschiff „Outlaw“ am Stephanie- Anleger. Und diese Unterkünfte sollen die Betroffenen erst wieder räumen müssen, „wenn eine vernünftige Anschlußlösung“ gefunden ist. Die Senatorin appellierte allerdings gleichzeitig an sie, sich auf dem „angespannten Wohnungsmarkt“ auch selbst um weitere Möglichkeiten zu bemühen.

Im Bunker wurde unterdessen ermittelt, wer überhaupt auf die „Outlaw“ übersiedeln will. Ergebnis: Ein Knacki, der schon in seiner Bewährungszeit an dem Schiff mitgearbeitet hatte. Allen anderen ist das Schiff „nicht Joker“: zu kalt, zu vorübergehend. Acht Übernachtungsgäste wurden den Handwerkern auf der Outlaw unterdessen bis heute früh avisiert.

Nirosta-Küche, Waschbecken und ordentliche Treppen zum Schiff und runter in den Schlafraum sind bereits installiert. Ob über die rund 30 Grad steile Hühnerleiter und durch die Einstiegsluke allerdings ein kollabierter Junkie auf der Bahre abtransportiert werden kann, bleibt fraglich. Birgitt Rambalski