»Eine Weisung von Bundesumweltminister Töpfer wäre unfair«

■ Senat schließt in Sachen HMI Klage gegen Bonn nicht aus/ Der kommissarische Umweltsenator Meisner (SPD) erläutert gegenüber der taz seine Position zum HMI INTERVIEW

taz: Herr Meisner, Bundesumweltminister Töpfer will bis Mitte Dezember dem Berliner Senat eine Weisung erteilen, den Reaktor des Hahn-Meitner-Institutes zu genehmigen. Wie werden Sie reagieren?

Norbert Meisner: Ich habe diese Weisung noch nicht. Man wird sehen, ob sie überhaupt kommt. Es wäre aber einigermaßen unfair, mir nur 14 Tage Zeit zu lassen, mich in die Rechtsmaterie eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens einzuarbeiten. Man braucht hier vor einer Entscheidung ganz saubere, juristisch abgeprüfte Grundlagen. Jeder Bescheid, den ich rausgebe, wird klagebefangen sein. Entweder es klagen die Anwohner oder das HMI. Deshalb brauche ich eine gewisse Zeit. Und wenn Herr Töpfer trotzdem eine Weisung erteilt, werde ich natürlich prüfen, ob sie rechtens ist.

Werden Sie gegebenenfalls gegen Bonn klagen?

Da will ich mich nicht festlegen.

Aber Sie schließen eine Klage nicht aus?

Wenn die Weisung offensichtliche Rechtsfehler enthält, schließe ich das natürlich nicht aus.

Nun erinnert Töpfer ja zu Recht daran, daß der Senat schon am 7. August mit SPD-Mehrheit und auch mit Ihrer Stimme die ehemalige Umweltsenatorin Schreyer aufgefordert hatte, binnen 14 Tagen dem Reaktor eine Betriebsgenehmigung zu erteilen. Gilt das heute nicht mehr?

Ich war damals nur Teil eines politischen Kollegiums. Und wir hatten damals den Eindruck, daß Frau Schreyer das Genehmigungsverfahren hinauszieht.

Nun hat der Senat am 7. August Frau Schreyer nicht nur zur Eile angehalten, sondern auch einen positiven Bescheid verlangt.

Das war eine Äußerung des Senats gegenüber der Genehmigungsbehörde. Jetzt bin ich die Genehmigungsbehörde. Und sowenig, wie der Senat damals Frau Schreyer eine Entscheidung verbindlich vorschreiben konnte, sowenig könnte der Senat jetzt zu mir sagen: Du mußt so entscheiden. Anders ist es, wenn eine rechtlich abgesicherte Weisung des Bundes nach Art. 85 III GG erfolgt. Dann müßte ich.

Auf einer Veranstaltung der SPD Spandau am 7. November haben Sie nach Angaben von Teilnehmern gesagt, wenn Sie Umweltsenator gewesen wären, hätten Sie in Sachen HMI genauso entschieden wie Frau Schreyer. Gilt diese Aussage heute noch?

Da muß ich ein bißchen differenzieren. Erstens: Ich konnte mich natürlich nicht in die Position der Genehmigungsbehörde hineinversetzen, die nach Aktenlage und nach juristischen Vorgaben zu entscheiden hat. Die andere Sache ist, was Sie und ich und ein normaler Mensch unter einer schadlosen Beseitigung verstehen, wie sie das Atomgesetz vorschreibt. Und das — also eine wirkliche Entsorgung im Wortsinn — ist natürlich im Augenblick nirgendwo gegeben. Weder in Deutschland noch sonst irgendwo gibt es eine schadlose Beseitigung nuklearer Abfälle. Und das ist ja auch unser Vorwurf an den Bund. Die Bundesregierung weiß, daß es in der Bevölkerung einen tiefen Dissens über die Kernenergie gibt. Einen Konsens über die Endlagerung wird man nur dann bekommen, wenn man gleichzeitig sagt, wann man aus der Kernkraft aussteigt. Weil Töpfer das nicht sieht, kommen die Genehmigungsbehörden der Länder in die Schwierigkeit, daß es selbst für Forschungsreaktoren keinen gesellschaftlichen Konsens mehr gibt, weil das Problem der Forschungsreaktoren vermischt ist mit dem Grundstreit über die Kernenergie.

Umgekehrt meint ja offenbar auch ihr schleswig- holsteinischer Parteifreund und Amtskollege, Energieminister Jansen, daß man die Entsorgungsprobleme von Atomkraftwerken einerseits, und Forschungsreaktoren andererseits nicht trennen kann. Er hat gewarnt, daß das Genehmigungsverfahren für den HMI-Reaktor präjudizierend wirken könnte auch für Genehmigungsverfahren von Kraftwerken.

Nein, ich sehe das andersrum. Weil der Bund sagt, die GEK — die Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge von Kernkraftwerken — würden auch für Forschungsreaktoren gelten, wird eine positive Entscheidung über einen Forschungsreaktor gleichzeitig zu einer Bestätigung der Entsorgungsgrundsätze für Kernkraftwerke. Wenn man dagegen für Forschungsreaktoren einen gesonderten Entsorgungsweg eröffnen würde, wäre das anders.

Wenn die GEK für Forschungsreaktoren nicht gelten würden, gäbe es — hypothetisch — die Möglichkeit, den HMI-Reaktor zu genehmigen, ohne damit Entscheidungen über die Entsorgung von Atomkraftwerken zu präjudizieren?

Ja, das wäre es — wobei ich jetzt nicht als Genehmigungsbehörde rede, sondern als politischer Mensch.

Mit Ihren Prüfungen, ob die GEK für Forschungsreaktoren gelten, suchen Sie also einen Weg, den HMI- Reaktor zu genehmigen, ohne damit die SPD-Ausstiegspolitik zu gefährden?

Ich meine folgendes: Der Bund soll die Forschungsreaktoren — über die es überhaupt keinen Streit gibt — aus der allgemeinen Entsorgungsdebatte rausnehmen und dafür einen gesonderten Entsorgungsweg eröffnen.

Noch mal zurück zu Ihrer Äußerung vom November, Sie hätten an Frau Schreyers Stelle genauso entschieden wie sie. Das hieße: Keine Genehmigung für den HMI-Reaktor.

Was ich gemeint habe, ist dies: Wie Frau Schreyer sehe ich im Augenblick für nukleare Abfälle eine »Entsorgung« im Wortsinne nicht gegeben. Aber für das laufende juristische Verfahren hat diese politische Ansicht vorerst überhaupt keine Konsequenzen. Das war der Fehler von Frau Schreyer, die politische Ansicht vorzugeben und zu sagen: Das muß rauskommen. Und dann wurde das Verfahren so gequält, daß Verfahrensfehler entstanden sind. Interview: Hans-Martin Tillack

Siehe Bericht auf Seite 6