Hochschule wehrt sich gegen Vorverurteilung

■ Die ehemalige »Kaderschmiede der SED«, die Hochschule für Ökonomie in Ost-Berlin, zeigt sich offen für Vorschläge zur Umstrukturierung, um zu überleben/ Rektor klagt Verantwortung von Bund und Ländern ein/ Kaum Chancen für eine Umbildung zu einer Europäischen Wirtschaftsuniversität

Lichtenberg. Es klang wie ein Hilferuf, der jüngst aus der Hochschule für Ökonomie in Lichtenberg drang. Verständlich, wenn man damit rechnet, in nächster Zeit »abgewickelt« zu werden. Rektor Rudolf Streich prophezeite, die Hochschule würde politischen Querelen zum Opfer fallen, ohne daß wissenschaftspolitische Aspekte bei der anstehenden Entscheidung berücksichtigt würden. Er sprach sogar von einem »Todesurteil« gegen die größte wirtschaftswissenschaftliche Bildungsstätte in den neuen Bundesländern.

Welche politischen Querelen zum Problem für die Hochschule werden könnten, ging aus den Äußerungen von Streich nicht hervor. Die Befürchtungen werden vor allem durch Äußerungen der Senatsverwaltung Wissenschaft und Forschung genährt. Wissenschaftssenatorin Riedmüller (SPD) würde nur von der »roten Vergangenheit« der Hochschule sprechen, ohne die einschneidenden Veränderungen dort zu beachten. Schließlich habe man inzwischen den Personalbestand um 23 Prozent reduziert, und man würde diesen Prozeß auch sozial verträglich weiterführen wollen, versprach Rektor Streich.

»Die HfÖ hat keine andere Vergangenheit als die gesamte Gesellschaft abzuarbeiten, und wer, wenn nicht die Ökonomiefachleute der Hochschule, können den Paradigmenwechsel geistig nachvollziehbar machen.« Aber man könne nicht umhin kommen wahrzunehmen, daß die Hochschule als »Kaderschmiede der SED« bekannt ist, sagte auf Nachfrage Riedmüllers Pressesprecherin Richter zur taz. Außerdem würden sich in der Senatsverwaltung ungewöhnlich viele Briefe von Studenten und Professoren stapeln, die andere Personen der Hochschule belasten oder bisher vorgenommene Entlassungen anzweifeln. Doch diese politischen Vorbehalte würden nicht ausschlaggebend für eine Entscheidung über die Zukunft der Hochschule sein, so Richter. Mit diesem Thema werde sich eine Ehrenkommission an der Hochschule beschäftigen.

Niemand an der Hochschule macht sich Illusionen über notwendige Umstrukturierung und Neuprofilierung. Entsprechende Konzepte für ein Weiterbestehen der Hochschule wurden inzwischen vorgelegt. Als Hauptvariante wird eine wissenschaftliche Hochschule für Wirtschaft im berlin-brandenburgischen Raum favorisiert. Damit würde das Forschungs- und Lehrpotential erhalten bleiben können, und die Westberliner Universitäten könnten entlastet werden. Diese Variante wird wohl kaum eine Chance erhalten. Auch wenn die HfÖ bisher über die Hälfte ihrer 4.500 Studenten für das Gebiet der ehemaligen DDR ausbildete, kann es nicht der politische Wille sein, so Christine Richter, diese zentralisierte Ausbildungsform für die fünf neuen Länder aufrechtzuerhalten. Das heißt abspecken, um förderalistischen Strukturen Platz zu machen. Also hier abbauen und woanders aufbauen.

Auch an die Bildung einer Gesamthochschule mit universitärem Charakter ist gedacht, um dem unbefriedigten Bedarf an wirtschaftswissenschaftlicher Ausbildung entgegenzukommen. Doch dafür gibt es bisher nur wenig Sympathien. Noch etwas höher angesetzt ist der Vorschlag Streichs, die HfÖ zum Bestandteil einer europäischen Wirtschaftsuniversität zu machen. Doch »das sei zu groß gestrickt«, so die Reaktion in der Senatsverwaltung.

Letztlich würde die HfÖ, um zu überleben, auch auf die Umwandlung in eine Fachhochschule, wie sie von Senatsseite bevorzugt angedacht wird, eingehen. Doch damit müßte sie ihren gesamten akademischen Mittelbau verlieren, weil für Forschung dann kein Platz mehr bleibt. Die Hoffnungen hat man an der HfÖ noch nicht aufgegeben. Dazu gaben auch die posititiven Äußerungen der Berliner Wissenschaftskommission zur Begutachtung der Hochschule Anlaß.

Aber ob das mehr als nur Zweckoptimismus ist, bleibt fraglich, denn das offensives Auftreten zum Durchkommen notwendig ist, haben die Wirtschaftsfachleute inzwischen begriffen. Deshalb fordern sie energisch, daß aufgrund der bisherigen überregionalen Ausbildungstruktur auch der Wissenschaftsrat vom Bund zu ihrer Zukunft befragt wird. Berliner Kompetenz reiche in diesem Falle nicht aus, meint Streich. anbau