Psychopannenhelfer

■ Bei einer Selbstbetrachtung entdeckten die vereinigten deutschen Sportpsychologen erhebliche Unterschiede PRESS-SCHLAG

Als Feuerwehrleute waren sie schon immer vereint. Wenn etwas nicht klappte und schief ging, mußten sie helfen und erklären. Den Journalisten genauso wie den Trainern. Als Graf und Becker die Tennismasters verloren, suchten Sportpsychologen in den Zeitungen nach unerfindlichen Gründen. Die erfolglose Fußballnationalmannschaft der DDR arbeitete seit 15 Jahren mit Psychologen zusammen. Die international auftrumpfenden Handballer verzichteten hartnäckig auf psychologischen Beistand. Nur wenn es lichterloh brannte, hat man sie gerufen.

Das kann sich ändern, denn die Bedeutung der psychologischen Beratung im Sport nimmt zu. Die trainingsmethodischen Konzepte sind weltweit nahezu angeglichen, nicht zuletzt durch die Ost-West- Völkerwanderungen erfolgreicher Spitzentrainer. Das vorhandene Leistungsvermögen der SportlerInnen durch eine optimale Motivation zu erschließen, ist jedoch bis heute für viele ein Rätsel. Sportpsychologen könnten es lösen.

Zumindest im Spitzensport erreichten die Ex-DDR-Psychos medaillenbergige Ergebnisse. Superstars wie die Schwimmerin Kristin Otto arbeiteten intensiv mit Psychologen. Vor der Europameisterschaft 1989 wurde für sie ein Musikstück komponiert, das genauso lang wie der 100-Meter-Rückenweltrekord war und auch in Taktfolge und Rhythmik haargenau ihrem Schwimmstil entsprach. Oft genug gehört, verinnerlichte die sechsfache Olympiasiegerin so den Bewegungsablauf des Rennens.

Solche Beispiele gibt es viele. Die Sportler wurden entweder individuell betreut oder ihre Trainer waren intensiv psychologisch ausgebildet. Zu den 670 Betreuern, die sich in der DDR um rund 700 Leistungssportler kümmerten, zählten etwa 70 Psychologen. Ein Beleg ihrer international anerkannten Arbeit war die Berufung des Leipziger Professors Paul Kunath zum Präsident der europäischen Berufsvereinigung. Am Forschungsinstitut (FKS) und der Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig wurde die gesamte Forschung koordiniert und auf die Universitäten von Rostock bis Jena nach Sportarten aufgeteilt.

Dort beginnen ihre westdeutschen Kollegen zu streiten. Das sei natürlich finsterer Zentralismus und daher abzulehnen, weil die Freiheit des Forschers eingeengt wird. Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp), Professor Dieter Hackfort aus Tübingen, beteuert: „Jeder konnte sich bei uns sein Gebiet aussuchen.“ Aber nur, wenn er ein freies fand, das vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft genehmigt und gefördert wurde.

Auch die Arbeitsbedingungen in Ost und West waren völlig verschieden. Während in der DDR der Athlet für den Sportpsychologen ständig zur Verfügung stand, gab es in der Bundesrepublik überhaupt nur einen festangestellten Psychologen im Olympiastützpunkt Ruhr West. Der Rest saß an den Unis.

So war es schon überraschend, daß beide Seiten in Leipzig von einer harmonischen Vereinigung der öst- und westlichen Sportpsychologen sprachen. Weniger überraschend die dann folgende heftige Diskussion über den Wert ihrer bisherigen Arbeit. Auch wenn West- Hackfort betont: „Im Osten nicht alles zerstören, im Westen neues aufbauen“, wird wohl leider Ost- Kunath recht behalten, der für seine Kollegen schwere Zeiten prognostiziert. Von den ehemals 18 Sportpsychologen der DHfK sind nur noch zwölf übrig, weitere werden gehen.

Die Wissenschaftler werden sich eben noch an die schmerzhafte Erfahrung gewöhnen müssen, die ihnen der Psycholge Dieter Hackfort mit nüchterner Gelassenheit vor den Kopf knallt: „In der Bundesrepublik ist der Sport kein besonders angesehenes Gebiet, mehr etwas für den Freizeitbereich.“ Und dort werden eben weniger Feuerwehrleute gebraucht. Hagen Boßdorf