Reichsbahner: Das wichtigste vertagt

■ Tarifkompromiß bei der Reichsbahn/ Nach Ende des Streiks fahren auch Güterzüge wieder normal Urabstimmung bis Freitag abend/ Versicherungsangestellte erhalten, was Reichsbahner forderten

Berlin (dpa/adn/taz) — Der Streik bei der Reichsbahn endete in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag mit einer Problemverschiebung. Der Vorstandsvorsitzende der Reichsbahn, Hans Klemm, und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED), Rudi Schäfer, unterzeichneten am späten Mittwoch abend einen Tarifkompromiß, der in den wesentlichen gewerkschaftlichen Forderungspunkten keine Festlegung enthält, sondern beide Tarifparteien auf spätere Verhandlungen festlegt. In der zentralen Forderung der Gewerkschaft, dem Rationalisierungs- und Kündigungsschutz, erreichte die Gewerkschaft allerdings einen vorläufigen Teilerfolg. Bis Mitte des nächsten Jahres dürfen keine Reichsbahner entlassen werden. Im kommenden Januar sollen Verhandlungen über eine „sozialverträgliche“ Gestaltung des geplanten Personalabbaus beginnen, die, so sieht es der jetzt gefundene Kompromiß vor, bis Ende März abgeschlossen sein sollen. Auch bei den Löhnen und Gehältern werden sich die Eisenbahner Ost noch ein bißchen gedulden müssen. Die Gewerkschaft hatte 50 bis 60 Prozent des Westniveaus für die gefordert. Die Tarifparteien haben sich nun lediglich zu Verhandlungen über die künftige Vergütungsstruktur der Reichsbahn verpflichtet, die bis Ende April abgeschlossen sein sollen. Anschließend soll über die Höhe der Bezüge im Rahmen dieser Vergütungsstruktur verhandelt werden. Bis zum 31. Mai will man damit abschließen. Festlegungen gab es nur bei den Nebenforderungen. Ab 1. April gilt bei der Reichsbahn die 40-Stunden-Woche sowie ein zusätzlicher freier Tag pro Halbjahr. Ebenfalls ab 1. April gibt es pro Kind einen Sozialzuschlag von 50 Mark monatlich. Das Urlaubsgeld für 1991 beträgt 300 Mark, das Weihnachtsgeld 75 Prozent der Bezüge. Reichsbahner bis 30 Jahre haben im nächsten Jahr 26 Arbeitstage, bis 40 Jahre 29 und ab 40 Lebensjahren 30 Tage Urlaub. Unmittelbar nach Abschluß der Verhandlungen wurden alle Streikmaßnahmen aufgehoben. Inzwischen läuft auch der Güterverkehr in den fünf neuen Bundesländern und Berlin wieder weitgehend normal. Der Personenverkehr war bereits am Dienstag abend wieder aufgenommen worden. Bis Freitag soll in einer Urabstimmung über die Beendigung des Streiks entschieden werden. Das Quorum für eine Beendigung des Streiks ist 25 Prozent. Wofür die Eisenbahner gestreikt haben, ist den rund 14.000 Versicherungsangestellten in den neuen Bundesländern schon sicher.

Abschluß für die Versicherungsangestellten

Die Tarifparteien einigten sich am frühen Donnerstag morgen darauf, die Gehälter vom 1. Januar an von derzeit rund 45 auf 60 Prozent des westdeutschen Tarifniveaus anzuheben. Außerdem verständigten sie sich auf einen weitgehenden Kündigungsschutz bei Rationalisierungen und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 43,75 auf 41 Stunden ab 1.6.1991, beziehungsweis 40 Stunden ab 1.1.1992. Ab 1991 beträgt das Urlaubsgeld 50, das Weihnachtsgeld 80 Prozent des Monatsgehalts. Der Jahresurlaub beträgt 1991 28 Tage, ab 1992 30 Tage. Für die rund 400.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst Westdeutschlands hat die ÖTV gestern ein Angebot der Arbeitgeber für Höherstufungen als „völlig unzureichend“ zurückgewiesen. marke