SPD zog Quotierungsgesetz die Zähne

Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetz nach wochenlanger Verzögerung doch verabschiedet/ SPD nutzt dritte Lesung für Verwässerungen beim Qualifikationsbegriff/ AL schluckt Kröte  ■ Von Helga Lukoschat

Berlin (taz) — Die Freude schmeckt bitter für die Berliner Frauenpolitikerinnen von AL und SPD. Die zermürbenden Auseinandersetzungen um das Landes-Antidiskriminierungsgesetz, kurz LADG genannt, sind ein Lehrstück: Wird Tacheles geredet und nicht nur symbolisch für Frauen Politik gemacht, sind die Widerstände zäh und fintenreich. Die Verabschiedung des LADG mit den Stimmen von SPD und AL glückte gestern zwar noch kurz vor Toresschluß in der letzten Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses vor der Wahl am Sonntag. Vorausgegangen war der dritten Lesung eine wochenlange, rechtlich äußerst umstrittene Verzögerungstaktik des Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Jürgen Wohlrabe (CDU) hatte die Verfassungsmäßikeit des Quotierungsgesetzes in Zweifel gezogen und sich geweigert, das in zweiter Lesung bereits im September verabschiedete Gesetz auszufertigen. Aber nachdem der CDU-Mann endlich den Weg freigegeben hatte, nutzte die SPD die dritte Lesung für einen skandalösen Umfaller. Ein kurzfristig eingebrachter Änderungsantrag der SozialdemokratInnen, der gestern beschlossen wurde, entschärfte die präzisen Vorschriften zur Quotierung im öffentlichen Dienst beim entscheidenden Begriff der Qualifikation. Statt der „erforderlichen Qualifikation“ als Kriterium für die bevorzugte Einstellung von Frauen, um eine 50-Prozent-Quote zu erreichen, soll nun die „gleichwertige Qualifikation“ gelten. Damit nähert sich das Berliner Gesetz, einst als Herzstück rot-grüner Frauenpolitik gepriesen, deutlich den zahmen Gleichstellungsgesetzen SPD-regierter Bundesländer an.

Denn alle Erfahrungen, so auch mit dem 1989 in Kraft getretenen Gesetz in Nordrhein-Westfalen, zeigen: Bei geforderter „gleicher“ oder „gleichwertiger“ Qualifikation haben Männer die besseren Chancen. Auf diesem Weg können zusätzliche Qualifikationen ins Spiel gebracht werden — über die Männer aufgrund ihrer anderen Erwerbsbiographien stärker verfügen. Oder die Qualifikation einer Frau wird von vornherein herabgesetzt. Eine „objektiv“ identische Qualifikation zwischen BewerberInnen gibt es in der Realität nicht. Entweder wird also die Frau oder eben der Mann „besser“ bewertet, aber der eigentlich beabsichtigte Fördermechanismus für Frauen greift nicht mehr. So kann auch die NRW-Frauenministerin nicht belegen, daß ihr Fördergesetz nach einem Jahr tatsächlich Wirkung zeigt.

Dennoch schluckte die AL die Kröte. „Lieber dieses Gesetz als gar kein Gesetz“, hieß es lapidar, und die frauenpolitische Sprecherin der AL, Lydia Hohenberger, begründete ihre Zustimmung zu der von der SPD aufgezwungenen Fassung mit dem „Spatz in der Hand“. Sie nannte als persönlichen Grund ihre „Solidarität“ mit den Frauenpolitikerinnen der SPD, die „unermüdlich“ für das LADG gekämpft hätten. Durchsetzen aber konnten sich diese nicht. Letztlich behielten die Kräfte in der Berliner SPD die Oberhand, die sich von der entschärften Fassung eine bessere Durchsetzbarkeit und „Gerichtsfestigkeit“ erhoffen. Zum Zurückweichen der SPD, so Frauenpolitikerin Ingrid Holzhüter (SPD), habe nicht zuletzt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster beigetragen. Dieses hatte bereits das wesentlich moderatere Frauenfördergesetz aus NRW vor wenigen Wochen für verfassungswidrig erklärt und vor das Bundesverfassungsgericht geschickt.