Mediale Mobilmachung

■ Peter Scholl-Latour, Kosmopolit von Berufs wegen, reflektierte im „Stern-TV“ über die Tücken der Wüste

Sechsundvierzigmal werden wir noch wach, heissa dann ist Golfkriegtach! Am 15. Januar genau — jedenfalls wenn der Irre/Hitler/Frankenstein nicht spurt. Wir können also unseren Kriegskalender mit den 24 Fensterchen und den süßen Überraschungen dahinter schon mal aufhängen und finden vielleicht am 23. Dezember, wenn wir das erste öffen, ein Glöcklein aus Schokolade — Symbol, daß es Saddam bald das letzte Mal schlagen möge. Alsdann hoffen wir, daß nicht die UNO oder ein Veto oder die Vernunft den Termin verhindern oder, noch schlimmer: vorverlegen. Denn dann käme unser ganzes System der ökologischen Umnutzung unverkaufter Weihnachtskalender durcheinander.

Aber keine Bange, der Termin steht. Ab dem 15. Januar wird Krieg sein in der Wüste. Deshalb hat Günter Jauch den Kosmopoliten Peter Scholl-Latour ins „Stern-TV“ gebeten am Mittwoch: Der muß es ja wissen, weil er schon überall war auf der Welt, nur Grönland fehlt ihm noch und ein Zwergstaat im Himalaya. Also fragt Jauch, ganz der kritische Frager, wie das so ist mit der Wüste. Und der Kosmopolit sagt, die Wüste sei nicht immer gleich. Es geht dabei, wir sollten das nicht aus den Augen verlieren, noch um den 15. Januar, und ob das denn ein günstiger Moment sei, temperaturmäßig gesehen, oder ob die Gäste aus USA da vielleicht zuviel schwitzen könnten — was ja zu unnötigen Fehlschüssen führen würde, wenn andauernd die Brille beschlägt. Aber klimatisch ist diese Gegend ja mindestens genauso fürn Arsch wie Stalingrad im Winter für Deutsche, da haben der Russe wie der Araber einfach einen Vorteil. So'n Pech auch.

Weiter nicht schlimm, sagt der Kosmopolit, nur: Der militärisch optimale Moment ist uns ja auch schon durch die Lappen gegangen, und — wenn das schon so ist — dann sei eben auch der 15. Januar recht. Es ist dabei nur aufzupassen — und Scholl-Latour kennt den Koran —, daß im März die große Pilgerei losgeht gen Mekka. Zu dieser Zeit, sagt der Kosmopolit, hat es der Muselmane gar nicht gern, wenn Ungläubige ihm die Wüste verwüsten. Es ist mithin darauf zu achten, daß die ganze Sache flott über die Bühne geht. Allzulanges Geplänkel mit allzu konventionellen Waffen könnten den Muselmanen in seinen religiösen Gefühlen verletzen. Und das wäre sehr unsensibel im Sinne einer multikulturellen Weltgemeinschaft.

Wir werden also im neuen Jahr, gleich nach der Vierschanzentournee der Skispringer, aufregendes Fernsehen erleben. Herr Scholl- Latour indes wird sich die militärische Operation, wie wir den Krieg künftig nennen wollen, lieber live ansehen, weil er sowas interessant findet, obgleich — auch das gibt er zu bedenken — ein Kriegsschauplatz nie schön ist. Aber, na ja: „Der Tod ist ein Begleiter des Lebens.“ Natürlich geht es auch ein wenig ums Öl. Ein wenig, aber vor allem um den 15. Januar. Und daß uns da um Himmels willen nichts durcheinanderkommt mit den Sweeties in unserem Kalender.

Sorge bereitet uns jetzt nur noch, wie Scholl-Latour einmal nach Grönland kommt. Vielleicht könnten sich die Eismenschen ein bißchen Napalm auf die Iglus schütten, ja doch, das wäre schon was. Aber bitte, ihr Grönländer, rechtzeitig Bescheid geben und aufpassen, daß ihr euch nicht mit einer kernigen Schlacht am Himalaya überschneidet! Der Kosmopolit wäre dann echt hin- und hergerissen. Herr Thömmes