: Mit Troubadix im Wahlkampfrausch
■ Berichte aus dem Leben der Kandidaten und ein vorläufiges Endergebnis
Wir schreiben das Jahr 1990. Ganz Bremen ist mit Plakaten behängt, langweiligen Plakaten. Langweilig? Nein, ein kleiner Mann von der Küste leistet den großen Köpfen hartnäckigen Widerstand. Lümmelt sich auf einem Bett rum, trägt lila Schlips und will unbedingt wieder nach Bonn. Was macht so einer eigentlich im Wahlkampf, wenn er nicht gerade im Bett liegt? Nun am letzten Wahlkampftag ist Manfred Richter zuhause und wartet auf den Höhepunkt: „Höhepunkt ist immer, wenn er vorbei ist“, sagt er und meint den Wahlkampf. Seit 1972 macht der FDP-Mann den Kandidaten und was er dieses Jahr erlebt hat, das war einer der ruhigen, gar freundlichsten Wahlkämpfe. Daß er nun „erschöpft“ ist, das liegt daran, daß er als Bundestagsabgeordneter schon mal in Brandenburg beim wahlkämpfen aushelfen muß.
„Die ganz großen politischen Auseinandersetzungen sind unterblieben“, meint auch der Mann mit der Fliege, Ernst Walthemathe, der sich zwei Tage vor der Wahl immerhin in seinem Büro aufhält. Wie alle Menschen, die sich solche Kleidungsstücke an den Hals hängen, ist Walthemathe eher harmoniebedürftig und deshalb mit dem Stil des Wahlkampfs zufrieden. Nur mit einigen Genossen ist er's nicht. Die Bürgerschaftsabgeordneten, „die denken, das geht uns nichts an.“ Und so mußten Ernst, Hans und Ilse den Karren ziemlich alleine durch den SPD- Matsch ziehen.
Auch der CDU-Kollege Bernd Neumann zieht ziemlich einsam seine Kreise, aber wie. Aus dem Auto, immer noch von einem Stadtteil zum anderen hetzend, kann er mit den Worten „ruhiger Wahlkampf“ nichts anfangen: „Vielleicht war der ja für meine Konkurrenten ruhig, für mich nicht.“ Und weil die Menschen nur noch „ganz selten schimpfen“ ist Neumann hoffnungsfroh, relativ. Denn aus früheren Zeiten weiß er: „Alles schimpft auf die SPD und dann seh ich das Wahlergebnis...“
Ein besonders gutes Wahlergebnis braucht der Grüne Ralf Fücks. Und weil er außerdem sowieso nicht anders kann, als sich von morgens bis abends um so ziemlich alles zu kümmern, bekommt er für besonderen Einsatz besondere Erwähnung. Am letzten Wochenende stellte Fücks plötzlich fest, daß der Raum für die Veranstaltung mit Antja Vollmer bereits an die MG vergeben war. Also klingelte er Samstag abend um 22.00 Uhr Henning Scherf an und der wiederum besorgte dem Wahlkämpfer zu nachtschlafener Zeit das Überseemuseum. Gut, wenn man so große Freunde hat.
Rosi Roland
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