Der Lebkuchen ist tot

■ Sensationell unglaublich: Über'm Hillmann's Garden hängen vier Lebkuchenhäuser

Ich habe doch auch schon was erlebt in meinem unspektakulären Lokalreporterinnen-Leben, aber daß mir ausgerechnet bei der Vorstellung von vier freischwebenden Lebkuchenhäusern endgültig der Glaube an Verkaufsdirektoren verloren gehen sollte, das hat mich dann doch erschüttert. Die Lebkuchen können nichts dafür. Sie sind benutzt worden.

Was ist passiert? Mit einer „stattlichen, sensationellen“ respektive „fantastischen, märchenhaften, größten Lebkuchenstadt“, witzigerweise „gerade rechtzeitig mit Beginn der Vorweihnachtszeit“, sind wir, die Lokalpresse, angelockt worden, und da sind wir auch schon. Sämtliche Verkaufsleiter könnten sich nun die Hände reiben, wenn sie da wären. Aber sie scheinen unsichtbar reiben zu wollen, erstmal sollen wir Lebkuchen suchen.

Ja, und da hängt er doch: in Form von vier Häusern, hoch droben über dem Hillmann'schen Garden-Himmel. Seit wann sind vier Häuser eine Stadt? Egal, hängen ja weit genug weg, und das Christkind sieht eh alles. Vor einem Häuschen stehen wie Möhrchen zwei Babypuppen aus Schokolade, das sind, sagt mir meine Knusper-Assoziation, eventuell Hänsel und Gretel. Ich will hier Herrn Haschke, Chef-Patisseur des Marriott-Hotels, keinen Vorwurf machen, er hat sein bestes gegeben an Blech und Spritzbeutel. Und auch Herr Wilhelm hat die Häuser echt prima aufgehängt, super, Jungs, das war keine leichte Aufgabe.

Vielleicht müßtet Ihr jetzt mal Eurem Verkaufsleiter seine Umgangsformen dekorieren, rein pressetechnisch gesehen. Der steht sonst nur in der Bar rum und sagt gar nichts. Womöglich hat er recht damit, es ist schwierig, sich zu vier Lebkuchenhäusern Erläuterungen einfallen zu lassen. Aber wie will der Mann seine anderen Sachen verkaufen!? Auch den übrigen Lebkuchen-Männern in der Bar fällt nicht mehr ein, warum wir hier sind. Sollen wir etwa Fragen stellen? In der Art:

Wieviel Zucker haben Sie, Herr Haschke, verarbeitet? Handelt es sich um Honig-oder Lebkuchen? Wieviel Quadratmeter Blech sind eingefettet worden? Was bedeutet die Watte unter den Häusern? Wie mischt man rote und weiße Lebensmittelfarbe so, daß zum Schluß rosa rauskommt? Ist der Lebkuchen zum Verzehr geeignet? Wie wird der Staub vom Lebensmittel ferngehalten? Wer möchte das wissen? Ich weiß es jetzt — dank eifriger Kolleginnen. Und auch, daß Herr Haschke seine Spritztechnik aus Amerika mitgebracht hat, daß er kein Süßer ist, daß die Deko-Watte Wolken bedeutet, daß alles 62 Quadratmeter umfaßt.

Der Herr Verkaufsleiter hat dann doch noch was gesagt; sinngemäß etwa, daß der Silvesterball-Verkauf gut läuft und daß auf ebendiesem Fest nächstes (!) Jahr unsere vier Lebkuchenhäuser „spontan versteigert“ werden sollen für einen guten Zweck, weil: „Für'n guten Zweck is immer gut.“ Eventuell Kinderheime oder sowas. Jetzt können erstmal die Kinderlein kommen, die spontan im Garden verweilen beziehungsweise drumherum Weihnachtsgeschenke kaufen sollen. Claudia Kohlhase