: Selbstbestimmt zur Geburt
■ Hebammen-Praxis Bremen: Fünf Geburtshelferinnen mit ganzheitlichem Ansatz
Wenn das nicht schön ist: Hebamme und Mutter bei der ersten Baby-Unterwasser-MassageFoto: Sabine Heddinga
Im Flur stehen Schuhe und Stiefel aufgereiht, durch eine Tür dringen zaghafte Babystimmchen. Eine andere Tür steht weit geöffnet. Dahinter: Säuglingstragetaschen in Reih und Glied, bunte Sitzkissen neben niedrigen Kiefernholzschemeln, ein halbmondförmiger Gebärhocker dazwischen, sorgsam aufeinander abgestimmte Farben vermitteln eine wohlige Atmosphäre. Die Hebammen-Praxis Bremen zeigt ihre neuen Räume, in die sie nach zweieinhalb jährigem Bestehen jetzt nach Schwachhausen umgezogen ist. Heute ist Einweihungsfeier.
Die fünf freipraktizierenden Hebammen hatten sich zunächst zu einer Art Zweckgemeinschaft zusammengeschlossen, um dann jedoch immer intensiver zusammenzuarbeiten. Mittlerweile bie
tet die Hebammen-Praxis ein ganzheitliches Programm rund um die Geburt an: Zur Geburtsvorbereitung gibt es Kurse für Frauen und Paare, danach Rückbildungsgymnastik. Geburtshilfe leisten die Hebammen bei Hausgeburten, in ihrer Praxis aber auch ambulant in einem Krankenhaus, dann allerdings nur in Achim („Dort kennen wir das Team und die Räumlichkeiten“). Die Frauen können auch die Vorsorge, wie sie laut Mutterpaß nötig ist, von den Hebammen durchführen lassen, die sie bis zur Geburt und danach im Wochenbett betreuen. Nur die Blut-und Ultraschalluntersuchungen müßten weiter beim behandelnden Arzt gemacht werden. „Wir haben alle notwendigen Geräte da, die Herztöne messen wir ganz genau so“, erklärt Monika Silberberg. Weil
sie die Schwangere kontinuierlich begleiten, die Entwicklung der Schwangerschaft ständig beobachten, würden sie schon weitaus früher als die Ärzte in der apparategestützten Sicherheitszone im Kreißsaal auf Symptome eventueller Komplikationen reagieren. „Daß eine Geburt so schnell abgebrochen wird, um die Frau mit Lalülala ins Krankenhaus zu bringen, kommt so gut wie nie vor“, betonen die Hebammen übereinstimmend.
Den Vorteil ihres ganzheitlichen Ansatzes beschreiben die fünf vor allem damit, daß die Frau mit all ihren Fragen und Ängsten nicht zwischen vielen Anlaufstellen und Personen hin-und hergestoßen wird. Im Normalfall treffe die Frau doch auf ihren Arzt, auf die Hebamme aus dem Vorbereitungskurs und im Krankenhaus dann vielleicht noch auf zwei, drei Ärzte und mehrere Hebammen und Krankenschwestern, die sie gar nicht kennt und zu denen sie schlagartig ein Vertrauensverhältnis aufbauen soll.
In der Bremer Hebammen-Praxis dagegen hat die Gebärende nur zwei AnsprechpartnerInnen: Die Hebamme, die sie bis zur Geburt begleitet, und eine zweite, die deren Vertretung übernimmt, wenn zum Beispiel das 14tägig garantierte freie Wochenende für die HelferInnen in die Geburtsphase fällt. „Je mehr Bezugspersonen die Gebärende hat,desto mehr wird sie von den verschiedenen Ansichten verwirrt“, betont das Team. Die Frau könne so kaum zu sich selbst und zu dem, was gut für sie ist, finden. „Wir stärken die Frau in diesem Weg zu sich selbst und helfen ihr, die richtige Position zu finden.“
Frauen, die für sich diesen ganzheitlichen Weg zur Geburt gewählt haben, müssen dies allerdings häufig bei den Krankenkassen rechtfertigen. Und weil die noch immer nicht die Rund-um- die-Uhr garantierte Rufbereitschaft der Hebammen finanzieren will, müssen dies künftig die Frauen selbst mit DM 350,-bezahlen — hoffentlich machen die Frauen dann Druck auf die Kassen, wünscht sich das Team. ra
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