DGB-Schlitzohr: Mann eingestellt, Frau auch

■ Arbeiterkammer umging Gewerkschaftsbeschluß / Qualifizierte Bewerberin kriegt andere Stelle

Die einen nennen es enttäuscht „Mauschelei“, die anderen einen „halben Erfolg“: Am Donnerstag abend segnete die Vollversammlung der Arbeiterkammer mit 19:1 Stimmen einen Vorstandskompromiß in Sachen Frauenfrage ab: Für die Stelle „Regionale Wirtschaftspolitik“ wird nicht die Bewerberin Dr. Angelina Sörgel eingestellt, sondern der Favorit des Vorstands, ein junger Uni-Absolvent ohne Veröffentlichungen. Für Angelina Sörgel wurde einfach eine neue Stelle geschaffen. Damit verstößt die Arbeiterkammer nicht nur gegen Gewerkschafts-Beschlüsse, sondern auch gegen das neue bremische Gleichstellungsgesetz. Danach hätte für die umstrittene Stelle nur die deutlich besser qualifizierte Bewerberin eingestellt werden dürfen.

Erst am vergangen Samstag hatten die DGB-Kreisdelegiertenkonferenz mit großer Mehrheit die Kammermänner gerügt und massiv das Einhalten der Beschlüsse zur Gleichstellung der Frau angemahnt. Am Rande dieser Sitzung hatten Kammermänner, beeindruckt durch die neuartig-eindeutige Beschlußlage, begonnen, sich nach einem gesichtswahrenden Kompromiß umzutun.

Erst einen Tag vor der Vollversammlung konfrontierte Arbeiterkammer-Geschäftsführer Heinz Möller den Personalrat mit seinem Vorschlag. Der Personalratsvorsitzende Johannes Steffen zur taz: „Diese Schlitzohrigkeit brachte uns in eine schwierige Situation. Für uns war ausschlaggebend, daß sich die Bewerberin entschieden hatte, den Kompromiß einzugehen.“ Steffen weiter: „Den Beschlüssen der Kreisdelegiertenkonferenz ist damit natürlich nicht Rechnung getragen worden. Die Frage der moralischen Standhaftigkeit wird im Personalrat deshalb noch ausführlich zu bereden sein.“

Ferdinand Kammering (IG- Medien), als Linksgewerkschafter im Kammervorstand, hat ebenfalls „Bauchschmerzen“: Kammering: „Aber der Kompromiß ist tragbar. Er hat das Verfahren vor der Einigungsstelle verhindert: Wenn die Einigungsstelle das Initiativrecht des Personalrats anerkannt und für Angelina Sörgel votiert hätte, wäre der Vorstand vielleicht trotz einschlägiger DGB-Beschlüsse vor ein bürgerliches Gericht gezogen. Das wäre ein nicht auszudenkendes Desaster geworden.“ In der Vollversammlung der Arbeiterkammer hatte nur einer gegen den Kompromiß gestimmt: Wolfgang Pokriefke (HBV). Er hatte sich weiterhin an dem orientiert, was er erst fünf Tage zuvor auf der DGB-Kreisdelgiertenkonferenz beschlossen hatte.

Die Bewerberin Dr. Angelina Sörgel freut sich über den „halben Erfolg“: „Ich bin rehabilitiert. Sie haben es nicht geschafft, mich aus der Kammer rauszuhalten.“ Und Monique Troedel, Vorsitzende des DGB-Kreisfrauenausschusses, ist überzeugt: „Für Angelina und alle Frauen, die nach ihr kommen, wird es das nächste Mal leichter sein.“ Wolfgang Pokriefke (HBV): „Ich bin mir sicher, daß ab jetzt jede neue Stelle bei der Kammer hundertprozentig nach den Richtlinien des DGB besetzt wird.“ Barbara Debus