»Mit falsch gefülltem Magen denkt der Kopf nicht gern«

■ Der Ostberliner Stadtrat für Stadtentwicklung, Thurmann, lud Fachleute aller Länder nach Dessau ein/ Bezahlt haben Daimler-Benz, die Lufthansa, Schering und die Westberliner Wohnungsbaukreditanstalt/ Außer Spesen nichts gewesen, dafür stimmt auch die Kasse nicht/ Umbau noch nicht bezahlt

Dessau. Eine spezielle Form der »Public-Private-Partnership« hat der Ostberliner Noch-Stadtrat für Stadtentwicklung, Regionalplanung und Verkehr, Clemens Thurmann, praktiziert. Thurmann lud etwa 40 Stadtplaner, Architekten und andere Fachleute Anfang Oktober zu einem Seminar, um Szenarien der Entwicklung eines »Zentrums Berlin« zu diskutieren — nach der Devise: »Mit falsch gefülltem Magen denkt der Kopf nicht gerne«, wie einer der Gäste meinte. Teilnehmer aus allen Erdteilen wurden eingeflogen und untergebracht — jedoch nicht im wiedervereinigungsgeschüttelten Berlin, sondern im Dessauer Bauhaus in Sachsen-Anhalt.

Da Thurmann den internationalen Fachleuten nicht den üblichen DDR- Standard zumuten wollte, wurde das Bauhaus renoviert, inklusive Gemeinschaftsduschen, Toiletten und Gästezimmern. Zur Beköstigung rückte das Berliner Küchenteam Peter Frühsommer an, deren Speisekarte — von der Perlhuhnterrine mit Stopfleber bis zur Holunderfeige in Marzipanschaum — die »einzige gedruckte Vorlage« gewesen sein soll, wie das Architekturfachblatt 'Bauwelt‘ höhnte. Dies alles kostete mindestens eine halbe Million D-Mark.

Die Frage ist noch, wer das alles bezahlt hat. Nach Informationen der taz haben dafür namhafte Firmen mit Sitz in Berlin gespendet — darunter Daimler-Benz, frischgebackener Grundstückseigner am Potsdamer Platz, die Deutsche Lufthansa AG, die Hoch- und Tiefbaufirma Philipp Holzmann AG, Rank-Xerox, die Kraftanlagen-Beteiligungs-GmbH und der Pharma-Riese Schering. Von Thurmann — der seit neuestem als künftiger Verkehrssenator gehandelt wird — war trotz mehrmaliger Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten. Dafür versicherte Seminarteilnehmer Hanno Klein, Chefplaner beim Bausenator und derzeit zu Thurmann als »Betreuer von Großinvestoren« abkommandiert, das Seminar selbst hätte »zu 100 Prozent« der Magistrat finanziert. Von den Firmenspenden sei nur der Ausbau des Bauhauses bezahlt worden. Was das Seminar gekostet hat, daran kann sich Klein nicht erinnern, die Bauhausrenovierung schätzt er auf mehrere hunderttausend Mark.

Etwas anders hört sich das aus der Sicht des verantwortlichen Organisationsbüros an. Nur 110.000 Mark seien vom Magistrat gekommen, sagt dessen Leiter Rainer Milzkott. Daneben hätten die Firmen Einzelspenden gemacht. So habe Daimler die Busse für die Teilnehmer bezahlt, die Lufthansa Flüge spendiert. »Die größte einzelne Geldspende waren 10.000 Mark«. Der Löwenanteil der Seminarkosten von 300.000 Mark, vor allem die Ausbaukosten des Bauhauses, sei überhaupt nicht bezahlt worden, beklagt sich Milzkott.

Daß noch irgendwelche Beträge offen seien, davon hat auch Klein gehört. »Da könnte eventuell die (landeseigene) Wohnungsbaukreditanstalt einspringen«, meint er. Die jedoch darf nur Investitionen in West- Berlin bezahlen, und auch das nur in kleinem Rahmen. Aber es gibt hier ja noch genug Firmen, die Interesse haben am künftigen Erscheinungsbild des »Zentrums Berlin«. Eva Schweitzer