Schwarzer Peter an Albrecht

■ Rudolf Mühlfenzl steht Rede und Antwort/ Kuratorium für DS Kultur gegründet/ Neuorganisation des Hörfunks zu erwarten/ „Wilder Westen im Osten“

Berlin (taz) — Während die Fernsehpläne des Rundfunkbeauftragten Rudolf Mühlfenzl für die neuen Bundesländer auch am Mittwoch noch hohe Wellen schlugen — so forderte die Industriegewerkschaft Medien die betroffenen Ministerpräsidenten auf, beim Verfassungsgericht Klage gegen die Auflösung des Deutschen Fernsehfunks (DFF) einzureichen—, bekam dieser am späten Donnerstag bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung Gelegenheit, die Beweggründe seines Handelns darzulegen. Zwar sollte es um „die deutsche Medienordnung im europäischen Kontext“ gehen, spätestens aber, als Mühlfenzl das Podium betrat, war das Thema durch die Aktualität eingeholt worden. „Habe ich die Grenzen meiner Tätigkeit überschritten?“ fragte der Bayer eloquent und selbstbewußt ins Auditorium und gab auch gleich die Antwort: „Nein!“

In bezug auf die Misere, daß es keinerlei Abmachungen mit der ARD gibt, die dem DFF garantieren, eigene Programmanteile ins Gemeinschaftsprogramm einzuspeisen, gab der Beauftragte den Schwarzen Peter weiter. Zwar lasse er den Intendanten Albrecht heute nicht im Regen stehen, aber der sei wohl davon ausgegangen, daß die ARD „natürlich bestimmte Programme übernehme“. Es gibt kein Abkommen, „aber sollte man deshalb das Ganze scheitern lassen?“ Auf der Betriebsversammlung des DFF, bei der Mühlfenzl mehr als tausend Mitarbeitern von Adlershof Rede und Antwort stand, hatte Albrecht tags zuvor noch versichert, daß es unter seiner Verantwortung keine ARD-Übernahme ohne Zulieferungen vom DFF gegeben hätte. Aber, so der Intendant resigniert, „ich bin ja nun nicht mehr gefragt“.

Vehement trat der Rundfunkbeauftragte Presseberichten entgegen, die behaupteten, der Bundeskanzler habe in der Vorwoche die Frage der Frequenzvergabe entschieden. Der Kanzler hat Gäste eingeladen, berichtete Mühlfenzl, und „ich war totfroh, daß er das tat“. „Ich war gebeten worden vorzutragen, wir haben diskutiert, ich bin weggegangen, und erst am Freitag habe ich, nach Rücksprache mit meinen Experten, die Entscheidung gefällt.“ So die wenig glaubwürdige Darstellung von Mühlfenzel. „Ich habe dann, per Fax, am Freitag die Ministerpräsidenten ins Benehmen gesetzt, und erst am Montag bin ich an die Presse gegangen.“ Das hatte sein Pressesprecher am Montag noch etwas anders dargestellt.

Zum Streit zwischen ARD und ZDF um den Sendestart auf DFF- Frequenzen erklärte er, daß der zwischen dem DFF und der französischen Firma „IP“ geschlossene Werbevertrag, der auch Werbung nach zwanzig Uhr und an Sonn- und Feiertagen vorsieht, einem früheren Sendestart der ARD entgegenstehe. Die notwendige Vertragsänderung mit der Firma sei aus terminlichen Gründen nicht vor Mitte Dezember möglich. Interessant war auf der Veranstaltung aber weniger die Auseinandersetzungen um die Frage, ob Mühlfenzl den Ermessensspielraum überschritten habe, was er verneinte, als die Tatsache, daß hier die Vertreter des Privatfernsehens hart mit ihm ins Gericht gingen. Die Privaten sind bitter enttäuscht, sie sind übergangen worden, so ein Teilnehmer vorwurfsvoll. Warum, wurde gefragt, haben sie die erste und die dritte Frequenz nicht an einen Privaten gegeben? Das erste und das zweite Programm sind doch ohnehin auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zu empfangen.

Während es sich hier aber nur noch um Nachgefechte handelt, die außer Pulverdampf vor allem das Gefühl zurücklassen, daß alle geschlafen haben, während Mühlfenzl die vierzehn Amtstage nutzte, um schnell zu handeln — warum zum Beispiel sind erst drei Mitglieder eines Programmbeirates gewählt, der den „Rundfunkentsorger aus Bayern“ kontrolliert und sogar abwählen könnte? —, wird es in allernächster Zeit in bezug auf die Rundfunkneuordnung der EX-DDR noch einmal spannend. Denn eine Entscheidung in Sachen Hörfunk steht ins Haus. Konkret geht es um die Frage, was aus dem Funkhaus an der Nepalstraße wird. Denn, so Mühlfenzl, „da muß ein Transfer von Geld, Leuten und Ressourcen in Richtung Länder vorgenommen werden“. Das Gesetz ist auf seiner Seite, denn alle ausgestrahlten Programme widersprechen der föderalistischen Struktur.

Um die Ausgangsposition ihres Senders zu verbessern, hatte bereits am Dienstag der ehemalige DDR- Sender DS Kultur, der seit Juli „aus den Ländern, für die Länder“ berichtet, die Gründung eines fünfzigköpfigen Kuratoriums bekanntgegeben. Die Gründungsversammlung, die aus ihren Reihen den Künstler Max Bill zum Vorsitzenden wählte, will sich für die bundesweite Verbreitung dieses Kulturkanals einsetzen. Die Chefredakteurin betonte, daß ihr der Ministerpräsident des Landes Sachsen, Biedenkopf, telefonisch sein Bedauern ausgedrückt habe, er könne im Kuratorium nicht mitarbeiten, setze sich aber dafür ein, daß der Sender nicht liquidiert werde.

Ob sich Mühlfenzl an solche Vorgaben hält, ist faglich, zwar begreift er sich als der Vollstrecker der Länderinteressen, aber eines ist für ihn heute schon klar: „Neue zentrale Sender wird es beim Beauftragten nicht geben.“ Der Film „Wilder Westen im Osten“ unter der Regie von Rudolf Mühlfenzl geht weiter. Karl-Heinz Stamm