Erinnerungen an den „Hoochie Coochie Man“

Die Blueslegende Muddy Waters steht im Mittelpunkt von „Jazz for fun“, Sonntag, 13.15 Uhr, ARD  ■ Von Harald Keller

Berlin (taz) — Geboren wurde Muddy Waters am 4.April 1915 als McKinley Morgenfield in dem Örtchen Rolling Fork in Mississippi. Mit drei Jahren, nach dem Tod der Mutter, schickte ihn sein Vater nach Clarksdale zur Großmutter, die ihm den später weltberühmten Künstlernamen verpaßte, weil ihr Enkel mit besonderer Wonne im Matsch spielte. Bald rief sie ihn nur noch „Muddy“, seine Spielkameraden ergänzten den Spitznamen um „Waters“, und dabei blieb es bis zu seinem Tod im April 1983. Wann genau die musikalische Karriere des Jungen begann, ist nicht bekannt. Er selber berichtete einmal, daß er bereits mit dreizehn Jahren als Mundharmonikaspieler auftrat, für fünfzig Cent pro Abend plus Verköstigung. Später lernte er Gitarre und orientierte sich mit seiner Bottleneck-Technik stilistisch an Bluesveteranen wie Eddie „Sun“ House oder Robert Johnson, dem „König des Delta Blues“.

Viele Blueskompositionen des McKinley Morganfield alias Muddy Waters sind unsterbliche Klassiker geworden. Titel wie „Mannish Boy“, „(Got my) Mojo Workin‘“, „Hoochie Coochie Man“, „I'm Ready“ und viele andere gehören zum Repertoire jeder traditionsbewußten Bluesband; sein „Rollin' Stone Blues“ war Namensgeber für Jagger, Richards & Co. Muddy Waters schuftete von Kindesbeinen an als Baumwollpflücker, ehe er, wie so viele Schwarze, 1943 in den liberalen Norden zog und in Fabriken und als Lastwagenfahrer arbeitete. Zuvor hatten Alan Lomax und John Work bereits Aufnahmen mit Muddy Waters gemacht für das Folkarchiv der „Library of Congress“. Unter dem Titel „Down on Stovall's Plantation“ erschienen diese Songs in den sechziger Jahren auf Platte.

In Chicago spielte Waters erstmals Platten unter professionellen Bedingungen ein und gründete 1950 die Muddy Waters Band. Der traditionelle Delta Blues, mit dem der Musiker aufgewachsen war, verband sich mit dem härteren Chicago- Stil zu einer packenden Mischung. Zahlreiche Rhythm & Blues-Hits machten ihn über seine Wahlheimat hinaus bekannt und zum Topact zahlreicher Folk-, Blues- und Jazzfestivals. Er hatte nachhaltigen Einfluß auf US-amerikanische und europäische Rock- und Bluesmusiker und spielte Langspielplatten ein u.a. mit Rory Gallagher, Steve Winwood, Rick Grech, Paul Butterfield, Mike Bloomfield, Buddy Miles und Johnny Winter, der für einige Alben auch als Produzent fungierte. Ein Titel aus der Feder dieser Blueslegende definiert in einem Satz die gesamte Rockgeschichte und bringt sie auf den Punkt: „The Blues Had a Baby and They Called it Rock and Roll“.

In Clarksdale, wo Muddy Waters seine Kindheit verbrachte, befindet sich das „Mississippi's Blues Museum“, das unter anderem über die aus dem Holz der früheren Behausung des Musikers gefertigt wurde. Der 1983 verstorbene Waters steht im Mittelpunkt der heutigen Folge von Jazz for fun.