Zwei Lappen

■ Die Wahrheit über die Schmusedecke

Ein zweiseitiges Bilderbuch — das heißt, es sind zwei Geschichten, die sich in der Mitte begegnen. So gibt es also nicht Vorder- und Hinterseite des Buches, sondern zwei umgekehrte Vorderseiten. Die eine Geschichte erzählt von einem kleinen Mädchen und ihrer Schmusedecke, die ihr hilft, alle Angstsituationen zu bewältigen — die Erwachsenen halten den Lappen für dreckig und eklig, wollen ihn waschen oder wegschmeißen, doch Lisa verteidigt ihren „Brummbären“ standhaft.

Der kleine Junge hat auch eine Schmusedecke, die ihm hilft, seine Angst besser auszuhalten. Die Erwachsenen finden den Lappen albern, schmutzig, und außerdem finden sie, der Junge ist sowieso zu groß dafür — er aber erlebt mit dem Lappen allerhand Abenteuer. In der Mitte treffen beide Schmusedecken aufeinander — der Brummbär des Mädchens und der fliegende Teppich des Jungen. Beide Kinder haben heftige Angst vor dem feindlichen Ungetüm, doch ihre jeweiligen Schmusedecken retten sie problemlos.

Besonders schön an diesem witzigen, formal einfallsreichen Bilderbuch ist, daß die Bilder neben dem Text eine eigene Geschichte erzählen — so beispielsweise die Szene, in der der Onkel dem Jungen vorwirft, für so einen Lappen viel zu groß zu sein: Selber klebt er Modellflugzeuge zusammen. Kinder ernst nehmen, die Erwachsenen in die Pfanne hauen, das ist typisch für den skurilen Engländer Tony Ross. Heike Brandt

Tony Ross: Die Schmusedecke, Thienemann Verlag 1990, 22 DM