Politik der Notlösungen herrscht in Mosambik

Der Reformprozeß geht voran, doch Frieden allein löst die Probleme nicht/ Neue Verfassung tritt heute in Kraft  ■ Aus Maputo Willi Germund

Hinter den verdreckten Scheiben der Amtsstuben erinnern die verschnörkelten Buchstaben der Eisenbahngesellschaft an den kolonialen Glitzer Portugals. Die vier verbeulten Passagierwaggons auf einem der zwei Gleise im grün-weiß gestrichenen Hauptbahnhof von Mosambiks Hauptstadt Maputo sprechen die lebhafte Sprache von fünfzehn Jahren Unabhängigkeit: die silberglänzenden Blechwände sind von Geschoßeinschlägen durchsiebt, die Holzbänke im Innern von den Kerben eingeschlagener Kugeln zerfurcht. Die Männer, die sonntagmorgens um sechs Uhr mit ihren Umhängetaschen in den Zug klettern, müssen zurück zu ihrem Job in einem der Bergwerke des Nachbarlandes Südafrika. Mangels Geld für ein Flugticket bleibt trotz der Überfälle von Renamo-Rebellen nur die Fahrt mit dem Zug — eine jener lebensgefährlichen Notwendigkeiten, mit denen Mosambiks 14 Millionen Menschen jeden Tag leben.

Notwendigkeit diktiert auch die Politik. Nach 14jährigem Krieg zwischen der Renamo und der alleinregierenden Frelimo-Partei brauchen alle eine Verhandlungslösung. Die linksgerichtete Regierung in Maputo braucht sie, weil das Land am Indischen Ozean sich wirtschaftlich nur erholen kann, wenn der Krieg zu Ende geht. Aber auch um die rechtsgerichtete Renamo steht es schlecht: Der Ziehvater Südafrika läßt die schwarzen „Khmer Rouges“ nach langem Zögern nun offenbar endgültig fallen. Pretoria schenkte kürzlich der mosambikanischen Regierung gar Militärausrüstung.

Einige der 160 Hilfsorganisationen im Land treffen Vorbereitungen für die „Zeit danach“ und argumentieren, daß Mosambiks Bedarf an Unterstützung in Friedenszeiten zumindest kurzfristig steigen wird. Rund 750.000 Flüchtlinge dürften aus den Nachbarländern heimkehren. 1,9 Millionen Vertriebene werden ebenfalls versuchen, zu ihren Heimatorten zu gelangen. Der agrarische Produktionszyklus aber beginnt im Mai. Neben Saatgut benötigt die Landbevölkerung — rund 80 Prozent aller Einwohner — dann bis zur ersten Ernte mehr Nahrungsmittel als bisher. Augenblicklich kalkulieren die Hilfswerke mit einem Bedarf von 300.000 Tonnen für das kommende Jahr. Nur 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung Mosambiks lebt heute im Einflußbereich der Regierung, in den sogenannten „Zementstädten“ und einem „grünen Gürtel“ von Elendsquartieren. Die Landbevölkerung harrt im Niemandsland aus, zum Teil auch in den renamobeherrschten Gebieten.

Chissano hatte mit seinem aus der Not geborenen Kurswechsel die politische Initiative übernommen und die Renamo damit in die Ecke gedrängt. Am heutigen 1. Dezember tritt eine neue Verfassung in Kraft, die dem Land zum ersten Mal eine Demokratie mit Mehrparteiensystem, Gewaltenteilung und möglicherweise 1991 auch allgemeinen Wahlen beschert — nach dem Willen der Frelimo auch unter Renamo-Beteiligung. Doch auch wenn die Verhandlungen in Rom zu einer Feuerpause zwischen Frelimo und Renamo führen, sind noch nicht alle Probleme gelöst. „Renamo will eine Machtbeteiligung; Wahlen würde sie nur verlieren“, glaubt ein ausländischer Beobachter. Präsident Chissano besitzt die besten Aussichten, aus einem Urnengang als Sieger hervorzugehen. „Diese Leute wollen nur eins: Frieden“, sagt ein deutscher Entwicklungshelfer. „Wer ihnen Frieden gibt, gewinnt auch die Wahl.“