Wunder satt

■ Erstes Schlachthofstück: „Das Gauklermärchen“ nach Michael Ende

Minutenlang hagelte es Applaus über die Manege. So viel Freude erlebte man lang nicht mehr in Bremer Theatern. Regisseur Jochen Biganzoli und seine Schauspielerinnen haben es geschafft: eine erfolgreiche Premiere mit Michael Endes Gauklermärchen. Die Geschichte von der schwachsinnigen Eli und der abgetakelten Artistentruppe, durch Phantasie in ein Morgenland versetzt, ist dabei eher dürftig.

Elis Schwachsinn ist die Folge einer Industriekatastrophe. Gaukler haben sich ihrer angenommen, arme Schlucker: die Welt ist, angesichts der großen Sensationen, der kleinen Wunder müde. Ihr Lagerplatz soll von einer Baufirma eingeebnet werden. Clown Jojo kehrt vom Chemiekonzern mit dem Angebot zurück, das Cirkusvölkchen könne sich für Werbezwecke verdingen — aber ohne Eli. Eli paßt nicht ins Bild. Die Artisten müssen wählen. Aber gerade dieser Konzern hatte durch seine Chemie den Schwachsinn Elis bewirkt. Die Entscheidung fällt zu ihren Gunsten. Bis die Bagger anrücken, erzählt Jojo das Märchen vom Morgen-Land, in dem er zu Prinz Joan und Eli Prinzessin wird. Beide tragen in ihrem Herzen den Schlüssel zum andern. Ihre „Kunst des Liebens“ bricht die Macht der fiesen Spinne Smeralda, die ihr Netz über's utopische Irgendwo spannt.

Die Inszenierung kämpft mit einem Zwiespalt. Einerseits erleben wir das blasse Liebeseinerlei zwischen Jojo und Eli — andererseits goutieren wir die spektakulären Effekte der bösen Gegenwelt, in der sich die Spinne als Rockstar entpuppt, um mit sattem Rhythmus (Virulent Violins) das Publikum aufzuwiegeln oder mit tausendfachen Spiegellichtern das Herzeleid der armen Eli zu blenden. Der lärmende Glamour der bösen Welt macht mehr Eindruck aufs Publikum als die schlichte Gaukler-Güte. Prinz Joan erweckt als Initiator des Ganzen einen eher dünnbrüstigen Eindruck, kommt aber als trauriger Ukullelespieler zum Zug. Der einförmige Tonfall Elis hingegen geht auf die Nerven.

Nun ist es ja ein Märchen und das Sympathische der Inszenierung liegt sicher an der raumgreifenden Spielweise in der ganzen Kesselhalle (plus Publikum). Die Gaukler als Gruppe wirken erfrischend und kompakt und manches Kabinettstückchen bereitet das Terrain für einen bunten Abend, der das Publikum nicht allzusehr mit der Botschaft der Liebe belastet. Wolfgang Pannek