Landunter in Bremen

■ Mit der Klimakatastrophe steht den Hanseaten das Wasser bis zu Hals

Wir schreiben das Jahr 2100. An der Nordseeküste peitschen Sturmböen mit einer Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometern gegen das Ufer. Eine Orkanflut, die bereits seit Tagen wütet, hat das ganze Küstengebiet überflutet. Der Bremer Roland hält so gerade noch die Nase aus dem Wasser, und Fürst Bismarck hat vor dem Dom auf ein Seepferd umgesattelt. Trocken ist nur noch die Plattform des Waller Fernsehturms: Da der Meeresspiegel um 12 Meter angestiegen ist, sind Bremen und Bremerhaven von der Landkarte verschwunden. Übriggeblieben ist lediglich eine schmale Insel, die sich parallel zum Küstenverlauf gen Norden streckt. In Cuxhaven, Wilhelmshaven, Oldenburg und Stade tummeln sich munter die Nordsee-Fische in den Häusern.

Diese Horrorvision könnte wahr werden, wenn die Umweltverschmutzung weiterhin so rasant voranschreitet wie bisher. Um die Gefahr anschaulich zu machen, hat Grüne Horst Kiekhäfer aus Minden in einjähriger Kleinarbeit zwei neue Karten angefertigt: „Nordwestdeutschland“ und „Die niedersächsische Küstenregion“. In verschiedenen Abstufungen, stellen sie die Risikozonen dar, die bis zum Jahre 2100 unter bzw. nur kapp über dem Meeresspiegel liegen könnten oder sturmflutgefärdet sind. Der Extremfall: Das Meer steigt bei Sturmfluten bis zu 12 Metern. „Zu solchen Auswirkungen kann es allerdings nur dann kommen“, erklärt Kiekhäfer, „wenn neben der Temperaturerhöhung die Eisschicht der Westantarktis bricht und schmilzt.“

Zu den Ursachen des Treibhauseffekts gehören Kohlendioxid und andere Abgase von Flugzeugen, Autos, Hausheizungen, Industrieanlagen und Kraftwerken sowie Treibgase, die Zerstörung der Regenwälder und die Vergiftung der Weltmeere. Durch den steigenden Anteil von Kohlendioxid und anderen Gasen in der Atmosphäre kommt es zu einer Temperaturerhöhung, die scheinbar geringfügig ist, aber doch erhebliche Folgen hat:

Klimazonen verschieben sich, Wüsten wachsen und durch die zunehmende Trockenheit steigt die Waldbrandgefahr in den Mittelmeerländern.

Stürme und Sturmfluten werden häufiger und schwerer. Neueste Forschungsergebnisse, so Kiekhäfer, deuten darauf hin, das auch die Stürme des letzten Jahres auf Temperaturerhöhungen in den Tropen zurückzuführen sind.

Der Meeresspiegel, so die Befürchtung, wird durch die Erwärmung in den Polargebieten erheblich ansteigen.

Bei den jetzt veröffentlichten Karten gehen die Grünen von neuen, wissenschaftlichen Gutachten aus. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA rechnet mit einem Anstieg von 45 Zentimeter bis 3,45 Meter. Der National Research Congress der USA rechnet mit 40 Zentimeter bis einem Meter, wenn die westantarktische Eisdecke zerbricht, sogar mit fünf bis sechs Metern. Wenn man diese Zahlen um mögliche Sturmfluten ergänzt, kann man in Extremfällen, wie oben erwähnt, vom Ansteigen des Meeres um 12 Meter ausgehen.

Obwohl sich ExpertInnen schon seit Jahren mit möglichen Folgen des Treibhauseffektes beschäftigen, gab es bisher keine Übersichtskarte, die die Höhenstruktur so plastisch sichtbar macht. Mit seinen Karten will Kiekhäfer für die massive Förderung von Energie-Einspartechniken und erneuerbare Energien, die Umstellung der Stromerzeugung auf dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung und umweltfreundliche Verkehrsmittel plädieren. Birgit Ziegenhagen