Griechische Regierung erfindet den Streik ohne Folgen

Athen (taz) — Die konservative Regierung Griechenlands steuert auf eine erneute Konfrontation mit den Gewerkschaften des Landes zu. Ein Gesetzentwurf mit der euphemistischen Bezeichnung „Schutz der gewerkschaftlichen Rechte und des gesellschaftlichen Ganzen“ grenzt das Streikrecht der griechischen ArbeitnehmerInnen entscheidend ein. Die Philosophie, die dahintersteckt: alle Folgen, die ein Streik im öffentlichen oder privaten Sektor zwangsläufig nach sich zieht, sollen beseitigt werden. Geht es nach dem Gesetzentwurf, dürfen die Funktionen bei den „Unternehmen öffentlichen Interesses“ (Post, Stromunternehmen, Banken usw.) bei einer Arbeitsniederlegung nicht beeinträchtigt werden. Dem Arbeitgeber steht das Recht zu, über die Anzahl des zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Personals zu entscheiden.

Für diejenigen ArbeitnehmerInnen und GewerkschafterInnen, die einen Streik weiterführen, der von der Justiz für „illegal“ oder „mißbräuchlich“ erklärt wurde, bedeutet das automatisch ihre Entlassung. Davon in Kenntnis gesetzt werden sie durch ein schlichtes Plakat an ihrem Arbeitsplatz. Aus den Erfahrungen der letzten Monate weiß man, daß noch kein Gericht einen Streik als „gesetzmäßig“ definiert hat.

Für die griechischen ArbeitnehmervertreterInnen steht fest, daß die Regierung mit dem „Antistreikgesetz“ auf eine „Unterwerfung der Gewerkschaftsbewegung“ abzielt, „um eine längerfristig orientierte Sparpolitik durchzusetzen“. Schon bisher wurden in erster Linie die ArbeitnehmerInnen durch Tarif- und Steuererhöhungen zur Kasse gebeten. Voraussichtlich noch in dieser Woche wird das Budget 1991 für weiteren Konfliktstoff sorgen. Lohnerhöhungen im öffentlichen Bereich weit unter der Inflationsrate werden den Lebensstandard breiter Schichten weiter senken. Doch dann hat die Regierung gegen abzusehende Streiks bereits die rechtlichen Mittel in der Hand. Das „Antistreikgesetz“ wird voraussichtlich heute mit der Stimmenmehrheit der Nea Demokratia im Parlament verabschiedet werden. Robert Stadler