Unterkühlte Nettigkeiten in der Runde danach

■ Lafontaine hofft auf Revanche in der nächsten Runde

Bonner Runden am Wahlabend sind naturgemäß immer durch die Hochrechnungen zuvor geprägt. Dabei gibt es und gab es immer zwei mögliche Konstellationen. Klare Ergebnisse produzierten Langeweile, knappe Wahlausgänge provozierten spannende Diskussionen. Die Bonner Runde am gestrigen Abend war gähnend langweilig, weil es selten in der Geschichte der Bundesrepublik so klare Sieger und so eindeutige Verlierer gab wie bei der ersten gesamtdeutschen Wahl seit der faschistischen Machtergreifung. Lambsdorff bekannte unbekümmert: Seine Laune sei so glänzend, daß er sich über nichts, was in der Bonner Runde gesagt werden könne, überhaupt ärgern würde. Kohl ließ sich durch keinerlei Bemerkungen aus seiner triumphalen Reserve locken, und Oskar Lafontaine konnte bei aller Rhetorik nichts anderes tun, als klipp und klar seine Niederlage einzugestehen. Die Grünen hatten Glück, daß sie durch Marianne Birthler aus der ehemaligen DDR repräsentiert wurden und kein Bundesgrüner zu einem Zeitpunkt vor die Kameras mußte, wo immer noch unklar war, ob sie überhaupt im Bundestag gelandet sind. Auch die Erklärversuche für die Ergebnisse blieben matt.

Lafontaine gab zu bedenken, es hätte sich doch schließlich um eine „Ausnahmewahl gehandelt“, die man nicht zum Maßstab für die Zukunft machen dürfe. Er bleibe nun mal bei seinen Aussagen, auch wenn sich herausstellt, daß sie beim Wähler nicht populär sind. Nur einmal wurde Lafontaine lauter: Er denke nicht daran, sich aus der Bundespolitik zurückzuziehen, auch wenn er nicht als Oppositionsführer nach Bonn kommen will.

Birthler und Gysi kündigten an, sich auch weiterhin um die Interessen der ehemaligen DDR- BürgerInnen kümmern zu wollen. Im Gegensatz zu Grünen und Bündnis konnte Gysi auch durchaus zufrieden sein: Die Prozentpunkte im Westen seien, gemessen an der kruzen Zeit, respektabel und auch in der Ex-DDR sei diesmal eine neue linke Partei gewählt worden. Er gestand, Bundeskanzler Kohl an diesem Abend erstmals die Hand geschüttelt zu haben: „Wir sind ja schließlich erwachsen.“

Danach war die Wahl abgehakt, und es begann das Ritual der fruchtlosen Personaldebatte. Wird Rita Süssmuth Bundestagspräsidentin bleiben? „Also sie wissen doch“, teilte Kohl mit, „daß die Posten nicht im Fernsehen verteilt werden, sondern nun die Parteigremien am Zuge sind.“ Waigel wandt sich ebenfalls heraus: Wieviele Minister die CSU noch stellen könne, sei völlig offen, von drei bis sechs sei in der Vergangenheit alles dagewesen. Schließlich habe die CSU konstant über 51 Prozent eingefahren.

Die Zukunftsperspektiven der neuen Republik blieben in der Runde fast völlig ausgespart. Die Vertreterin der Grünen wollte zur gemeinsamen Opposition mit SPD und PDS nicht mehr sagen, als daß sich das eben nur an Sachfragen entscheiden könne — Probleme gebe es schließlich genug, und die Bürger hätten nun einmal gegen ihre Interessen entschieden. JG