Gastraining in Garlstedt

■ Seit dem 9. November werden GIs auf den Einsatz am Golf vorbereitet

Monika Seibold ist gegen den Einsatz der US-Army am Golf. Ganz konkret: Sie lebt mit einem US-Berufssoldaten zusammen. Ihr Freund ist Panzerfahrer und stationiert in der Brigade „Hell on Wheels“ bei Garlstedt. Er will in dieser Woche seinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung in der Kaserne abgeben. Monika Seibold: „Im Mai, in unserem Urlaub, ist bei uns die Diskussion losgegangen. Er hat gesagt: 'Ich will da raus.' — Wir wollen uns gemeinsam eine Zukunft aufbauen.“

Die Diskussionen des Paares blieben noch vage. Dann kam der 9. November. Die knapp über 4.000 US-SoldatInnen in Garlstedt erfuhren, daß auch sie an die Golf verlegt werden. Monika Seibold: „Daß das innerhalb der nächsten vier Wochen passiert, damit haben wir nicht gerechnet. Mein Freund ist Panik gefahren und hat sich vier Tage verpiesemuckelt.“ In seiner Einheit war er nicht der einzige, insgesamt fünf GIs „verschwanden“ für ein paar Tage. Dies gilt rechtlich als „unerlaubtes Entfernen von der Truppe“, wenn der Betreffende sich binnen 30 Tagen wieder bei einer US- Einheit meldet. Die Abwesenheit wurde geahndet: Der GI durfte für 14 Tage die Kaserne nicht verlassen und mußte Extra-Dienste schieben. Außerdem bekam er „Druck“, d.h. einen neuen Sergeant.

Seitdem die Verlegung an den Golf beschlossene Sache ist, werden die Garlstedter GIs auf die „Operation Wüstenschild“ vorbereitet. Das heißt: Kampftraining Mann gegen Mann mit aufgepflanztem Bajonett. Das heißt: Gastraining bis zur Atemnot, Marschlieder-Singen, Samstagsarbeit, Schulung mit Schlangen und Skorpionen, körperliche Ertüchtigung, nicht nur zweimal in der Woche, sondern jeden Morgen. Zudem sind die Soldaten aufgerufen „letzte Dinge zu regeln“: Ihr Testament zu machen, ihren Gattinnnen die Kontovollmacht zu geben.

Die Garlstedter Panzerbrigade ist ausgerüstet mit Haubitzen, die sowohl Atom- als auch Gasgranaten abschießen können. Der Abtransport des Kriegsgeräts ist in Zeitverzug geraten. Bisher wurde in der Garlstedter Heide noch kein Panzer verladen. Die Soldaten rechnen damit, daß sie zwischen Weihnachten und Neujahr über Frankfurt ausgeflogen werden. Der legale Abschied von der Army wird den Soldaten angesichts des drohenden Krieges sehr schwer gemacht. Auslaufende Dienstverträge werden einseitig um vier bis acht Jahre verlängert — der betreffende Soldat wird um seine Meinung nicht gefragt.

Monika Siebold schätzt die Kampfmoral der Garlstedter Soldaten auf „halbe, halbe“ ein. Die eine Hälfte sei hochmotiviert, in den Krieg zu ziehen. Die andere Hälfte habe Angst, sehe keinen Sinn in dem Einsatz, denke an die Familie. Monika Seibold: „Die Leute sind aber unheimlich phlegmatisch.“

Die „treibende Kraft“ in Richtung Verweigerung seien nicht die Soldaten, sondern deren Lebensgefährtinnen. Monika Seibold erzählt von einer Bekannten: „Die hat gesagt: 'Ich bin erst seit drei Monaten verheiratet. Ich will nicht gleich Witwe werden.' Jetzt hat sie ihren Mann soweit, daß der sagt: 'Ich gehe erstmal für vier Wochen verloren.'“ Vor allem US-Ehefrauen der Soldaten sähen sich vor riesige soziale Probleme gestellt: Bei einer Desertion gehe das Gehalt des Mannes verloren. Die Familie müsse aus der Army- Wohnung ausziehen. Monika Seibold: „Die Tendenz ist, daß sich die deutschen Frauen mehr auf die Hinterbeine stellen.“

Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Martin Thomas, der öffentlich erklärt hatte, er werde Deserteuren helfen, sieht das Engagement der Frauen ähnlich: Bei ihm hätte nur ein GI um Rat nachgefragt, aber 50 Lebensgefährtinnen von GIs.

Monika Seibolds Freund ist fest entschlossen, noch in dieser Woche seinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung abzugeben. Dieser Antrag bewahrt nicht vor dem Abtransport in den Golf, sondern führt nur dazu, daß der betreffende GI einer Sanitäts- oder Versorgungseinheit zugeteilt wird. Monika Seibold: „Wir wollen versuchen, eine Einstweilige Verfügung zu bekommen. Wenn er aber runter muß, ist es für ihn noch offen, ob er runter geht oder verschwindet.“

Ab heute gibt es in Bremen ein Kontakt-Telefon für GIs. Täglich von 19 bis 21 Uhr in der Immanuel-Gemeinde. Telefon-Nummer 0421/381615 (Die in der gestrigen Ausgabe ausgedruckte Nummer war falsch). Barabara Debus