Haft nie angerechnet

■ »Aktion Sühnezeichen« sammelt Geldspenden für sowjetische Überlebende aus KZs und Stalins Lagern

Berlin. Die Hilfe für die notleidenden Menschen in der Sowjetunion »ist nicht nur ein Akt der Barmherzigkeit, sondern in gleichem Maße eine klar politische Hilfe«. Das sagte gestern Christoph Heubner von der »Aktion Sühnezeichen/ Friedensdienste«. Und weiter: »Jede Hilfe, die die Lage stabil hält, schwächt die Gegner der Perestroika.« Helfen will Sühnezeichen, in Zusammenarbeit mit der Gruppe »Memorial«, den Menschen in Leningrad und Minsk, die in nationalsozialistischen Konzentrationslagern oder in stalinistischen Lagern die besten Jahre ihres Lebens gelassen haben. Wie Elena Proshina, Vizepräsidentin der Leningrader Sektion von Memorial, vor der Presse berichtete, würde diese Gruppe der älteren Menschen unter der jetzigen Versorgungslage besonders leiden. »Weil die Jahre in den Lagern von Hitler oder Stalin nie auf die Rente angerechnet wurden, sie immer schon am Rande des Existenzminimums lebten, ist ihre Lage jetzt besonders katastrophal«, sagte sie. Bis heute werden diese Menschen, die »sehr oft« beide Lagersysteme erleiden mußten, nicht als Verfolgte anerkannt, ihr Schicksal umgibt »eine Mauer des Schweigens«.

Aktion Sühnezeichen will daher in Berlin Geld sammeln und davon Lebensmittel, Medikamente, Decken und warme Kleidung kaufen. Diese Güter sollen im Januar mit eigenen Bussen nach Leningrad und Minsk gebracht und gemeinsam mit Memorial verteilt werden.

Auch der Vorsitzende des Leningrader Stadtsowjets, Jurij Wdowin, bestätigte, daß gerade diese Menschen Hilfe brauchen. »Viele antideutsche Ressentiments werden dadurch abgebaut.« Wdowin formulierte aber auch seine Sorgen über die gesamtdeutsche Hilfsbereitschaft. »Ich fürchte«, sagte er, »daß die guten Menschen aus dem Westen kommen und uns totfüttern. Was wir eigentlich brauchen, ist die ‘Hilfe zur Selbsthilfe‚, angefangen von wirtschaftlichem Know-how bis zu Krediten.« aku

PSch-Kto. 675-103, Kennwort: »Sowjetunion-Hilfe«.