»Die große Koalition ist sicher ehrlicher«

Berlin. Mit 9,2 Prozent der abgegebenen Stimmen zieht die PDS in das Gesamtberliner Parlament. Über die Konsequenzen des Berliner Wahlergebnisses sprach die taz mit dem PDS-Spitzenkandidaten Peter-Rudolf Zotl und dem Ex-ALer Harald Wolf, der sich als sechster auf der PDS-Landesliste einen Platz im Abgeordnetenhaus sicherte.

Harald Wolf: Die große Koalition wäre in gewisser Weise sicher ehrlicher als eine schwarz-gelbe. Was die SPD in letzter Zeit betrieben hat, war de facto die große Koalition. Das begeistert mich aber alles keinesfalls.

taz: Ist Regierungspolitik auf breiter Ebene in dieser schwierigen Übergangsphase nicht besser für die Stadt?

Peter-Rudolf Zotl: Es geht doch um machtpolitische Blöcke. Sollte es zu einer großen Koalition kommen, dann verfügt sie über eine Zweidrittelmehrheit. Da läßt sich bequem der Parlamentarismus formal weiter fortführen, aber die Entscheidungen fallen ganz woanders. Und dann hat weder die Opposition noch der Bürger eine Chance, in die parlamentarische Entscheidungsbildung einzugreifen. Das ist sehr schlecht.

Die PDS hat in West-Berlin gerade mal 1,0 Prozent der Stimmen abschöpfen können. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Zotl: Wir haben erst im Oktober mit dem Wahlkampf angefangen. Wir haben uns über Grundwerte gestritten, und in dieselbe Zeit fiel dieser Finanzskandal und ein starker Boykott unserer Programmatik durch viele Medien. Angesichts dessen halte ich das für ein reales Ergebnis.

Wolf: In Zukunft muß es um eine Neuentwicklung oppositioneller linker Politik gehen. Ich hoffe auf eine Zusammenarbeit mit der AL und dem Bündnis 90, denn in Sachfragen gibt es viele Übereinstimmungen.

Zotl: Aber natürlich fehlt bei uns derzeit eine langristige programmatische Diskussion. Aber die Wende ist gerade ein Jahr her, man kann jetzt nicht in die Tasche greifen und sagen, das eine Konzept ist weg, hier ist das neue.

Wenn das Konzept also fehlt, ist die PDS da nicht insgesamt in der Opposition überfordert?

Zotl: Wir sind uns alle einig, daß diese kapitalistischen Verhältnisse, die da jetzt über uns gekommen sind, nicht die Krönung der politischen und menschlichen Zivilisation sind. Wir müssen darüber nachdenken, wie ein demokratischer Sozialismus zu gestalten ist. Was das im einzelnen bedeutet, wird man sehen. Martina Habersetzer