»Es kann sein, daß man verliert«

■ Auf der SPD-Wahlparty gehörte die Schuld am Debakel den anderen: Helmut Kohl und der AL

Berlin. Das Wahlergebnis steht noch gar nicht fest, da ist eines schon klar: Die Sozis sind schlechte Verlierer. Mit alles übertönenden Buh-Rufen reagiert das Publikum auf der SPD- Wahlparty bei »Joe am Wedding«, als Eberhard Diepgen nach den ersten Prognosen auf der Großleinwand erscheint. Der Moderator versucht erst gar nicht, den Ton zum TV-Bild anzudrehen. Diepgens Stimme — das würde nur die im Saal grassierenden Spekulationen hemmen, ob es nicht doch noch für eine Senatskoalition unter Walter Mompers Führung reicht. Wie wäre es zum Beispiel mit SPD, FDP und Bündnis 90, rechnen einige. »Neuwahlen!« — dieses Stichwort, das der Kreuzberger SPD-Chef Peter Strieder in die Runde wirft, wird begeistert aufgegriffen. Der Moderator auf der Bühne ist im Hauptberuf Sportreporter. Tapfer versucht er, seinem Publikum einige Grundregeln des Wettkampfs beizubringen: »Wenn man auf das Fußballfeld geht, kann es sein, daß man verliert«, klärt er auf. Die Belehrung kommt nicht an, Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller trifft die Stimmung besser. Sie macht die »Parallelität« der Wahlen für Bundestag und Landesparlament verantwortlich für die Verluste. Und begierig greifen die Parteimitglieder die von Walter Momper ausgegebene Parole auf, die AL sei schuld an dem Debakel. Die ständigen »Streitereien« seien es gewesen — und dafür machen die Sozis vor allem die Alternativen verantwortlich. An diesem Abend würde die SPD jeden Eheberater in die Verzweiflung treiben.

Einer dagegen sitzt ganz nachdenklich in einer versteckten Ecke — einer der in diesem Aggregatzustand schon lange nicht mehr zu besichtigen war: Bausenator Wolfgang Nagel. Viele Koalitionskrisen hat er selbst mitangezettelt, und er räumt seine Mitverantwortung auch unumwunden ein. »Es nervt die Leute«, philosophiert Nagel, »wenn sie ständig mit Politik belästigt werden.« Wenig später — Nagel ist wieder zum Leben erwacht und auf das Podium gestiegen — kündigt er schon neue Attacken auf des Bürgers Seelenruhe an. »Erinnert euch an unsere großen Kampagnen für die Mietpreisbindung«, ruft er seinen Zuhörern zu. »Jetzt werden wir wieder von vorne anfangen und die Massen mobilisieren gegen die konservative Herrschaft« [wieder so 'ne Verarschung? sezza]. Die Masse im Saal läßt sich von dieser Aussicht freilich nicht so recht überzeugen, sie reagiert verhalten. Die konservative Herrschaft — das ist ja jetzt der neue Koalitionspartner. hmt