Grenzer statt Emigranten

■ 230 Juden haben Angst, daß sie das Heim in Ahrensfelde verlassen müssen

Ahrensfelde. Die 230 jüdischen Emigranten aus der Sowjetunion, die im Notaufnahmeheim Ahrensfelde am Stadtrand von Berlin leben, befürchten, daß sie das Heim verlassen und nach Brandenburg umziehen müssen. In einem Brief an Bundeskanzler Kohl haben gestern über 100 Emigranten darum gebeten, in Ahrensfelde bzw. Berlin bleiben zu dürfen. Eine Verteilung der Emigranten auf ganz Brandenburg würde sie von allem jüdischen sozialen und kulturellen Leben in Ost- und West-Berlin völlig abschneiden. Grundlage der Sorge, das Heim verlassen zu müssen, sind Informationen der Ahrensfelder Heimleitung. Danach hätten Grenzschutzbeamte, die einen großen Teil des Terrains nahe des Aufnahmeheims bereits benutzen, derartige Pläne als »gesichert« verbreitet. Laut Klaus Pritzkoleit, Mitarbeiter des Büros für Ausländerfragen in Ost-Berlin, ist dies allerdings nicht »gesichert«. Es bestehen zwar schon seit längerer Zeit Gerüchte, daß der Bundesgrenzschutz die Gebäude gerne hätte, aber definitive Entscheidungen wären weder vom Bundesinnenministerium noch vom Land Brandenburg gefallen. Richtig sei allerdings, sagte Pritzkoleit, daß »es einen Unsicherheitszustand« gibt, und dies vor allem deshalb, weil das Land Brandenburg, in dessen Zuständigkeitsbereich die Einrichtungen in Ahrensfelde fallen, über eine endgültige Verwendung der Häuser noch nicht entschieden hat. Auch Heinz Galinski, will nicht ausschließen, daß das Aufnahmeheim für den Bundesgrenzschutz geräumt werden muß. »Das wäre sehr schlimm«, sagte er. Er habe bei Staatssekretär Neusel in Bonn bereits »energisch« interveniert. Prophylaktisch habe er gebeten, daß »Härtefälle« wie ältere Menschen und Kinder aus Tschernobyl »auf keinen Fall« außerhalb Berlins leben dürfen. »Sie brauchen die sozialen Einrichtungen der Großstadt.« Direkt konfrontiert mit den Ängsten der Ahrensfelder Emigranten ist Tatjana Korel, Mitarbeiterin der jüdischen »Zentralen Wohlfahrtsstelle«. »Ganz aufgeregt sind unsere Leute«, denn für die aus den Millionenstädten wie Moskau oder Leningrad kommenden Menschen bedeuten die möglichen Ausweichorte wie Brandenburg oder Seelow »eine totale Isolation«. aku